Fluch des Magiers
kam als Antwort. »Das muss Erulim sein. Auch die Zusammenarbeit mit einem Magier von drüben kann stimmen, denn er konnte wohl kaum selbst zu den schwarzen Gurrims gehen. Dafür hat er einen Mittelsmann benötigt. Aber sag, wer bist du? Ich bin eigentlich ein ganz guter Spürer, kann aber nicht entscheiden, ob du nun eine echte Eirun bist oder nur eine eirunblütige Magierin.«
»Ich bin«, begann Laisa, sagte sich dann aber, dass sie in dieser Gestalt nicht ihren richtigen Namen nennen sollte, um Verwirrung zu vermeiden, und fuhr etwas anders als geplant fort. »Ich bin Lizy, und eine Eirun bin ich nicht!«
Lizy hatte ihre Pflegemutter Tinka sie genannt, als sie noch ein winziger Katling gewesen war, und so hielt Laisa diesen Namen durchaus angemessen für ihr jetziges Erscheinungsbild. Vor allem aber freute sie sich, mit Reolan einen Gesprächspartner gefunden zu haben, von dem sie etliches über den Feind zu erfahren hoffte.
Viel konnte Reolan ihr jedoch nicht berichten. Als Wächter von Lirian hatte er nie an Aktionen in Erulims Auftrag teilgenommen, und bei dessen Verfolgung war er bereits nach wenigen Tagen gefangen genommen worden. Auch über die Geschehnisse in Eldelinda wusste er nichts. Sein Geist hatte seit seiner Versteinerung geschlafen und war erst durch die Berührung mit Laisas magischer Ausstrahlung geweckt worden.
Nun aber war er zu wach, um wieder wegdämmern zu können, und begierig darauf, entsteinert zu werden, um seine Jagd auf Erulim wieder aufnehmen zu können. Er machte Lizy etliche Vorschläge, die allerdings daran krankten, dass sie weder über die Kraft eines Eirun noch über Khatons magische Fähigkeiten verfügte.
Aufgeben aber wollte sie nicht. Daher kehrte sie in die zweite Geheimkammer zurück, stärkte sich mit einem Gebäck, das ihr ausgezeichnet mundete, und sah sich dann die drei Kisten an der Wand genauer an. Sie mochte klein sein, doch ihre Fähigkeiten hatten nicht gelitten, und so war sie sicher, dass die äußerste Kiste ein Versteinerungsartefakt enthielt, das erst vor kurzem benutzt worden war, um sie und ihre Gefährten zu hilflosen Schaustücken zu machen. Zwei Probleme gab es zu bewältigen, nämlich zum einen das magische Schloss und zum anderen den schweren Deckel.
Lizy ließ den Deckel erst einmal außer Acht und überlegte, wie sie das Schloss am besten knacken konnte. Ein Feuerstoß in das magische Tastfeld erschien ihr als die schlechteste Lösung. Laut Khaton hatten solche Schlösser die unangenehme Eigenart, zu explodieren, wenn man sie gewaltsam öffnete. Schließlich entschied sie sich, den Bügel des Schlosses zu durchtrennen, holte tief Luft – und stieß ein winziges Rauchwölkchen aus.
Enttäuscht versuchte sie sich zu erinnern, wie sie beim Kampf gegen die Ratten Feuer gespuckt hatte. Diesmal kam eine Feuerzunge aus ihrem Maul. Doch die war zu schwach, um das Metall des Bügels zu erhitzen.
Allmählich wurde sie wütend. Sie biss in den Bügel, bog dann den Hals und stieß einen Feuerstrahl aus, der so hell war, dass sie geblendet die Augen schließen musste. Als sie sie wieder öffnete, hatte sie die Truhe angekokelt, und der Schlossbügel war halb zerlaufen.
»Na, wer sagt es denn? Es geht doch«, stellte sie zufrieden fest und spuckte erneut Feuer. Diesmal trennte sie den Bügel ganz durch, musste dann aber ein wenig warten, bis er abkühlte, ehe sie das Schloss abnehmen konnte.
Nun war noch der schwere Deckel zu bewältigen. Als sie daran zerrte, merkte sie, dass sie weitaus mehr Kraft besaß, als ihr kleiner Körper vermuten ließ. Es war zwar eine Heidenarbeit, und sie rang schließlich keuchend nach Luft. Doch der Deckel stand offen, und sie blickte auf fein säuberlich einsortierte Artefakte. Dasjenige, welches zum Ver- und Entsteinern benutzt werden konnte, lag ganz oben. Ein schwach glimmender Kristall zeigte allerdings an, dass seine magische Ladung fast erschöpft war. Wenn sie es einsetzen wollte, brauchte sie zuerst frische Ladekristalle.
Diese fand sie nach kurzem Suchen ganz unten in der Truhe in einer kleinen, silbernen Schatulle. Es fiel ihr leichter als gedacht, das Artefakt zu öffnen und die Kristalle auszutauschen. In diesen Augenblicken dankte sie Khaton für dessen Sturheit, mit der er ihr die Grundlagen der Artefaktbenutzung beigebracht hatte. Schließlich stellte sie das Artefakt auf Entsteinern ein. Dabei überlegte sie, wen sie als Ersten wieder zum Leben erwecken sollte.
Ihr Gefühl sagte ihr: Befreie Rongi!
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