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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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naheliegende, aber falsche Richtung.
    Es war ihre Lust, die sich nicht einstellen wollte, und obwohl weder sie noch ihre Umgebung noch ihr ganzes in dieser Hinsicht
so finsteres Jahrhundert ahnten, welche Rolle der weibliche Höhepunkt beim Vorgang der Befruchtung spielt, wusste Puarauranga, dass es an ihr lag. Ihr Gatte war ein freundlicher alter Mann, der ihr Großvater hätte sein können, der sie höflich und zuvorkommend behandelte, sogar manchmal witzig war  – aber nichts an ihm oder dem, was er mit ihr tat, erregte sie auch nur im Geringsten. Dabei war sie nicht kalt, und genau das war auch ihr Problem. Sie war neunzehn Jahre alt, auf dem Höhepunkt ihrer Schönheit, Kraft, Neugier, und ihr unbefriedigtes Verlangen tötete allmählich etwas in ihr, so wie manche Vögel sterben, wenn man sie in zu enge Käfige sperrt.
    Hone Waitere hatte ihr zur Hochzeit einen zahmen Papagei geschenkt, den sie sehr liebte. Er hatte dem noch sehr jungen, gelehrigen Tier sogar das Sprechen beibringen wollen, aber zur allgemeinen Erheiterung konnte der Vogel nie mehr als ein einziges Wort sagen: »Whakarongo   – Hört mir zu!«
    So pflegte der Häuptling sehr oft seine Rede zu beginnen, und die Stille, die dieser Äußerung regelmäßig folgte, musste das kleine Tier wohl so beeindruckt haben, dass es sich gerade dieses Wort einprägte. Puarauranga spielte sehr gern mit dem Papagei und trug ihn fast ständig an einem kurzen Lederriemen auf ihrer Schulter herum. Aber als ihre Ehe immer unglücklicher wurde, fing sie auch an, ihn schlecht zu behandeln. Ihre Liebe zum Leben war dabei, zu verschwinden, und sie reagierte darauf, wie es starken Naturen eigen ist: Puarauranga wurde böse.
    Als sie ihn an diesem Tag zum dritten Mal wegen irgendeiner Nichtigkeit ausgezankt hatte, fragte sich Hone Waitere, wo das sanfte Wesen geblieben war, das er geheiratet hatte. Er überlegte sogar, sie zu schlagen, wozu ihm auch die wenigen Männer rieten, denen er sich anvertrauen konnte. Aber nicht nur liebte er das Mädchen, er hatte insgeheim auch ein wenig Angst, dass sie zurückschlagen könnte und er sein Gesicht verlieren würde. Ein paar Tage bei ihrer Mutter, die diese Hemmungen nicht kannte, würden vielleicht den gleichen Zweck erfüllen und ließen
sich seinen Leuten gegenüber viel besser erklären: als die Sehnsucht einer jungen Frau nach der sorglosen Unmündigkeit ihrer Kindheit. Dafür würden alle ein mitleidiges, lächelndes Verständnis aufbringen, Puarauranga bekäme endlich einmal wieder den Hintern versohlt und würde reumütig zu ihm zurückkehren. Der alte Mann freute sich noch an seinem Entschluss, als ihm ein sehr unerwarteter Besucher gemeldet wurde.
    Riwha Titokowaru hatte auch auf seiner Traumwanderung keine Antworten auf seine Fragen gefunden und nicht das Zeichen erhalten, auf das er schon so lange wartete. Aber da er nun einmal in der Gegend des Tapirimoko war, wo die alten Feinde seines Volkes, die Ngati Maniapoto, lebten, beschloss er, sein Schicksal auf die Probe zu stellen. Gewiss, die Musketenkriege waren schon lange vorüber, und im Waikato hatte man sogar auf der gleichen Seite gestanden, wenn auch nicht gemeinsam gekämpft. Aber fünf Jahrhunderte feindlicher Nachbarschaft ließen sich in nur einer Generation nicht vergessen; immer hatten die beiden Stämme einander überfallen, beraubt, versklavt, und Titokowarus Ruf zum Aufstand gegen die Pakeha, die Einladung zur Versammlung der Häuptlinge, hatte Hone Waitere wie selbstverständlich ausgeschlagen. Dass der Häuptling der Ngaruahine plötzlich in seinem Dorf auftauchte, allein, unangekündigt, inoffiziell, hielt er zunächst für irgendeinen politischen Winkelzug, den er nicht verstand. Ein fast widerwilliger Respekt stellte sich erst ein, als er im Verlauf ihrer mehrstündigen Unterredung den Mut, die Ehrlichkeit  – und die Verwirrung seines Gegenübers bemerkte.
    Titokowaru erzählte ganz offen von seinen Fragen, von seiner Suche; tatsächlich erschien es Hone Waitere, als würde der Mann immer noch träumen, und ganz kurz durchzuckte ihn die Erkenntnis, dass ein Kind den gefürchteten Krieger in diesem Moment töten könnte. Natürlich verstärkte das nur den Sinn für seine Gastgeberpflichten, und er war froh, dass er Puarauranga noch nicht zu ihrer Mutter geschickt hatte, denn so konnte sie die beiden Häuptlinge bei ihrem inoffiziellen Treffen bewirten.
    Ihr Mann stieg jedes Mal nicht wenig in ihrer Achtung, wenn er sich als wahrer Führer

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