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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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bis sieben Meilen langer Meereseinlass, fiel Whaingaroa Harbour bei Ebbe fast völlig trocken und legte weite Schlammbänke frei. Obwohl die verfügbaren Boote unablässig pendelten, mussten doch immer wieder schwer beladene Trupps meilenweit durch diese wattähnliche Landschaft marschieren, und als drei Tage später alles an Land geschafft war, waren Männer und Material völlig verdreckt. Von Tempsky ordnete ein Großreinemachen an und durchdachte seinen Plan noch einmal.
    Es war inzwischen Mitte März geworden, und der südliche Sommer würde bald völlig vorbei, die Ernten eingebracht sein. Der Herbst, traditionell die Zeit der Reisen und Kämpfe, stand bevor, und das Jahr der Töchter und des Lammes, dem die Eingeborenen so viel Beachtung schenkten, neigte sich dem Ende zu. Warum dem alten Titokowaru nicht noch ein paar Verbündete abspenstig machen, indem man sich »in voller Schönheit«, wie von Tempsky es in seinem Schreiben an McDonnell ausdrückte, im wilden Binnenland zeigte? Die Ausbildung seiner Männer im Buschkrieg würde er zudem nirgendwo besser betreiben können als im Busch, und auch der Gedanke an Desertion, mit dem zweifellos die meisten hergekommen waren, würde ihnen, mitten im Feindesland, von wilden Eingeborenenstämmen umgeben, gründlich vergehen.
    Proviant war in genügender Menge vorhanden, nur sein Transport würde schwierig werden. Die Maoripfade, auf denen man sich durch die dichten Urwälder bewegen musste, waren so schmal, dass ein ungeübtes Auge sie bisweilen überhaupt nicht erkannte. Sie verliefen im Normalfall auch nicht in den Tälern, sondern auf den Kämmen der Berge und Hügel, was ein ständiges Auf und Ab bedeutete. In diesem schwierigen Terrain war es für einen einzelnen Mann unmöglich, mehr als dreißig oder vierzig Pfund auf dem Rücken zu tragen; ein Gewicht, das durch Waffen und Ausrüstung aber bereits annähernd erreicht war. Jagdbares Wild gab es in den neuseeländischen Wäldern nicht, auch essbare Pflanzen waren rar, wenn man nicht gerade hungrig genug war, um sich mit den Wurzeln des überall wachsenden Farnkrauts oder dem Innern des Mamaku-Baumfarns zufriedenzugeben.
    Die herkömmliche Art, sich auf einem Marsch durch Neuseeland zu verpflegen, bestand darin, von Maorisiedlung zu Maorisiedlung zu ziehen und dort Schweine, Kartoffeln, Obst und nach Möglichkeit auch Gemüse einzutauschen. Von Tempsky beschloss deshalb, anstelle des Proviants lieber die üblichen Tauschwaren mitzuschleppen, die es im Land nicht gab, also Salz, Zucker, Tee und die universale Tauschwährung auf dem Naturalienmarkt des 19. Jahrhunderts: Tabak. Unter all diesen Umständen wäre ein Marschdurchschnitt von zehn oder zwölf Meilen pro Tag bereits ein großer Erfolg.
    Von Tempsky befahl den Männern, die an sie ausgegebenen Decken zu Schlafsäcken zusammenzunähen, und zwar so, dass eine Seite doppellagig war; was sich für die in derartigen Handarbeiten herzlich ungeübten Rekruten zu einem ernsthaften Problem auswuchs. Ihr Kommandant erlaubte ihnen schließlich, die Eingeborenenfrauen des kleinen Dorfs Horea am Whaingaroa und die weißen Frauen der benachbarten, noch kleineren Siedlung Raglan mit dieser Arbeit zu beauftragen. Er selbst bestellte beim örtlichen Schmied dreißig Bowiemesser nach seinem
persönlichen Entwurf, für viele Jahre der größte Auftrag für Industrie und Handel im nur acht Häuser umfassenden Raglan, und ließ  – noch weit seltsamer  – den ganzen Ort nach Pinseln, Wasserfarben und möglichst großformatigem Papier durchforsten. Eine tragbare Staffelei tischlerte er sich selbst.

81.
    Der Investigator war durch die gesamte Nordinsel und den gewagten Plan seines Vorgesetzten von dem Ort getrennt, an dem James Fagan an Land gegangen sein musste. Wahrscheinlich wäre er desertiert, wenn er von Tempsky in den vergangenen Wochen nicht näher kennengelernt und sich ihm verpflichtet gefühlt hätte. An einem dieser Tage der Marschvorbereitungen wanderten die beiden Männer zum Kariori, einem auf einer Halbinsel weit in die See hinausragenden Berg. Von Tempsky hatte in der an seinem Fuß liegenden Missionsstation der wesleyanischen Kirche einige Malutensilien und vor allem etwas Kobaltblau aufgetrieben und war so guter Laune, dass er Joseph B. Williams vorschlug, einen knapp achthundert Meter hohen Ausläufer des viel gezackten Gipfels zu besteigen, was etwa drei Stunden in Anspruch nahm.
    Weit im Südwesten sahen sie in fast hundert Meilen Entfernung die

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