Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Leder hinterließ.
»Eine Möglichkeit gäbe es noch, Sir«, sagte er nach einer Weile. Er drückte seinen weichen, feuchten Finger auf eine bestimmte Stelle in seinen Papieren. »Die Rifleman , Versorgungsschiff der Regierung. Geht in zehn Tagen nach Dunedin ab, hat aber einen Zwischenhalt auf den Chathams. Wird also alles in allem eine Woche unterwegs sein.«
Gowers überschlug kurz diese Zeitangaben. Über Land wäre er auch nicht wesentlich früher auf der Otago-Halbinsel und in den Goldgräberlagern.
»Mein Schiff«, sagte er knapp und zählte das Geld für die Passage auf den Schreibtisch.
106.
Obwohl er sich in seinen schwachen Stunden gelegentlich mit beiden Händen zum eigenen Verstand gratulierte, war der Detektiv hinsichtlich seiner äußeren Erscheinung Realist. Zwar konnte er das vertrauenerweckendste Gesicht der Welt machen, das besorgteste, ehrlichste, seriöseste, war also ein nicht untalentierter Schauspieler, aber die Rolle des ersten Liebhabers war nicht seine und nie seine gewesen. Gabriel Beale konnte sich nicht erinnern, dass in seinem Leben auch nur eine einzige Frau mit ihm geschlafen hatte, weil sie ihn attraktiv fand. Stets musste er Geld ausgeben oder zumindest den Eindruck erwecken, welches zu besitzen. Im Drang seiner Jugend hatte er sich in den verrufenen Straßen New Yorks sogar gelegentlich als Polizist ausgegeben und gefallene Mädchen verhaftet, sie aber gegen entsprechende Dienstleistungen wieder laufen lassen. Die hatten ihn einige Male sogar von sich aus geküsst.
Umso überraschter war er, dass sich jetzt, in seinen mittleren Jahren, hier, in New Orleans, eine verhältnismäßig junge Frau offensichtlich
in ihn verliebt hatte. Molly war erst wenig über dreißig, nicht schön, aber für seine Begriffe hübsch, nicht unberührt, aber auch nicht sonderlich erfahren, und das Vergnügen, das er ihr im Bett offensichtlich bereitete, beeinflusste sein Selbstbewusstsein in einem Maß, das weder seinem Alter noch seiner Intelligenz angemessen war. Sicher, sie hielt ihn für einen Professor aus Harvard, Jacob Files: Andrew Jackson und seine Zeit, aber sie fragte weder nach Geld noch nach einer gemeinsamen Zukunft, sondern genoss anscheinend ganz einfach das Zusammensein mit ihm.
Madame Clairborne war so amüsiert, dass sie ihrem feisten kleinen Besucher, dem die wissenschaftliche Redlichkeit aus allen Knopflöchern drang, manchmal fast laut ins Gesicht gelacht hätte. Jean hatte ihr gesagt, dass man ihm nachspüren würde, aber sie hatte eher mit martialischen Verfolgern gerechnet, bärbeißigen Fragen, unterschwelligen Drohungen, vorgehaltenen Waffen. Dieser Kerl war zum Schießen, seine Fragen nach dem Krieg von 1815, der Schlacht von New Orleans, General Jackson, Gouverneur Clairborne und Barataria beinahe rührend, und sie genoss das Schauspiel, das er ihr bot, volle zwei Kannen Tee hindurch, ehe sie ihn durch ihr Dienstmädchen hinausexpedieren ließ. Selbstverständlich hatte sie nichts gesagt, aber durchblicken lassen, dass sie Verschiedenes wisse, freute sich bereits auf ein weiteres Zusammentreffen mit Professor Files, um noch weniger zu sagen und noch mehr durchblicken zu lassen – und wunderte sich dann, dass sie den Mann nie wiedersah.
Beale hatte schon nach weniger als einer halben Stunde gemerkt, dass Madame Clairborne ihn durchschaut, dass John Lafflin, der auf ihre Initiative hin freigelassen worden war, sein Auftauchen in irgendeiner Weise angekündigt haben musste. Er wahrte jedoch den Schein, beschloss erbittert, in seinem Leben nie wieder Tee zu trinken, und hielt sich dann an das Mädchen der Lady.
Molly war während des gesamten Gesprächs im Zimmer geblieben, und das wies auf eine Vertrautheit mit den Angelegenheiten ihrer Herrin hin, die ihn leichter und sicherer zum Ziel bringen würde. Zu seiner Erleichterung trank sie lieber Bier als Tee und war schon
nach einem einzigen Abendessen so zutraulich geworden, dass es den Detektiv, wie gesagt, fast ein wenig aus der Bahn warf.
»Jack! Jack!«, keuchte sie in sein Ohr, als er in ihr war, und ihre Leidenschaft wurde so zügellos, dass Gabriel Beale einige Sekunden brauchte, um zu begreifen, dass sie ihn meinte. Ihr Höhepunkt überschwemmte ihn bis zu den Knien, und für ein paar selige Augenblicke, in denen sie ihre Fingernägel in seine fleischigen Lenden bohrte, wünschte er, er wäre tatsächlich Jacob Files, Professor für amerikanische Geschichte. Dann verging auch ihm Hören und Sehen.
Während
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