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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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so fröhlich an, als hätten sie’s gleich gesagt.
    »Sie sind entlassen, Mr. Beale«, zischte General Willoughby, weiß um die Nase angesichts dieser neuerlichen Blamage. Dann brachte er sich halb um bei dem Versuch, in seinem Rollstuhl ohne fremde Hilfe das Bahnhofsgebäude zu verlassen. Bonneterre sah ihm mit zunehmender Erheiterung hinterher. Dann wandte er sich tröstend an den brüskierten Detektiv.
    »Im Gegenteil, Sir: Sie sind engagiert!«
    »Ich verstehe nicht«, murmelte Gabriel Beale und runzelte die Stirn.
    »Ich engagiere Sie, Mr. Beale. Ich biete Ihnen eine feste Anstellung.
« Der junge Mann sagte das so amüsiert, begeistert von seiner eigenen Idee, dass der Detektiv es noch immer für einen Scherz hielt.
    »Wie meinen Sie das, Sir? « , fragte er vorsichtig.
    »Ich meine damit«, antwortete Bonneterre, in dessen Stimme nun allmählich eine unstillbare Rachsucht durchklang, »dass mir diese Nigger von vornherein ziemlich egal waren. Ich scheiße auf dreißig Nigger mehr oder weniger. Ich will die Leute kriegen, die sie uns weggeschnappt haben.« Und als Beale noch immer nicht reagierte, fügte er hinzu: »Ich meine: Wir wissen nicht, wie, aber wir wissen doch, wer ihnen geholfen hat: Lafflin, Gowers, Moses!«
    Der Detektiv hatte jetzt verstanden und nickte, aber es war noch immer eine andere Frage, die er in seinem schweren Kopf bewegte: Wo waren Lafflin, Gowers und Moses in diesem Augenblick?

108.
    Nahezu alle kolonialen Katastrophen des 19. Jahrhunderts, Kriege, Epidemien, Massaker, gingen auf das Unvermögen der Europäer zurück, die Denk- und Handlungsmuster der jeweiligen Ureinwohner auch nur ansatzweise zu verstehen oder verstehen zu wollen. Jenseits aller persönlichen, politischen, religiösen oder kulturellen Borniertheit, mit der die Weißen in ihren Schulen, Kirchen und sonstigen Institutionen vollgestopft wurden, war die Ursache dieses Unvermögens jedoch ihre eigene Ohnmacht gegenüber dem System, das sie geschaffen und perfektioniert hatten. Für den globalen Kapitalismus, dem sie sich so besinnungslos unterwarfen, als sei er ein Naturgesetz, war eine Kolonie nichts weiter als Rohstofflieferant oder Markt, günstigenfalls auch beides.
    Formen des menschlichen Zusammenlebens, die nicht um den Nukleus des Kapitalismus  – den Privatbesitz  – herumgruppiert sind, waren für die Europäer nicht nur unbegreiflich, sondern so unvorstellbar wie eine Welt ohne Gravitation. Im Gegenzug
war es für viele der kolonisierten Völker schlicht eine Form von Geisteskrankheit, wenn jemand mehr Land besaß, als er bearbeiten konnte, und sie betrachteten es als Irrsinn, andere am Gebrauch von Gegenständen oder der Nutzung von Gütern zu hindern, die man selbst gerade weder brauchte noch benutzte. Immer wieder waren es darum Fragen der Eigentumsverhältnisse, an denen sich die Katastrophen entzündeten, wobei stets die Weißen die Konflikte verursachten, schürten und durch sie zu profitieren verstanden.
    Denn sie verweigerten den Eingeborenen ganz einfach die Gerechtigkeit, die sie ihnen doch zu bringen vorgaben. Es war schwer einzusehen, warum ein Zaun, eine Kette, eine verschlossene Tür ein geschütztes Heiligtum sein sollte, wenn sie den Besitz eines einzelnen Weißen um- und einschloss, während der Besitz eines ganzen Stammes, von Generation zu Generation weitergegeben, offiziell als herrenlos galt. Nichts anderes aber hatte der Native Land Court 1865 beschlossen  – und zu keinem anderen Zweck war er eingerichtet worden; wodurch erstaunlich offensichtlich wird, dass der Kapitalismus, also der ungehemmte Erwerb von Privatbesitz, just auf dem Umstand basiert, den seine willfährigen Gesetzgeber, Gesetzeshüter und Rechtsprecher noch heute härter verurteilen und verfolgen als jede Körperverletzung: auf dem Diebstahl.
    Von derlei Zusammenhängen wussten David Cahill, Thomas Squires und William Clarke wenig, als sie am 9. Juni 1868 den Waingongoro aufwärts wanderten, um Holz zu schlagen und zurechtzusägen. Alle drei waren sogenannte militärische Siedler, also Veteranen, denen man ein paar kleine Parzellen des Landes schenkte, das sie für den globalen Kapitalismus erobert hatten. Schon Julius Caesar hatte auf diese einfache Weise unterworfene Länder seinem Imperium einverleibt.
    Der Waingongoro war ein nicht allzu breiter, aber sehr reißender Fluss, der von den Osthängen des Taranaki durch den nahezu weglosen Urwald von Ahipaia herunterströmte. Ohne
Zwischenfall erreichten die

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