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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Landesbewohner beobachtet: In den Alleghenies hatten die Bahnhofsvorsteher noch zuverlässig mit Trillerpfeifen und Signalkellen hantiert, aber schon in Tennessee hatten sie alle eine Hand in der Hosentasche, in Alabama meist sogar beide. Hatten die Herumlungerer am Bahnhof von Knoxville sich zumindest gelegentlich noch mit dem linken Fuß am rechten Schienbein gekratzt, so fehlten derlei Aktivitäten im Staat Mississippi nahezu völlig.
    Es sah John Lafflin und der Frau, die man Moses nannte, sehr ähnlich, dass sie dreist genug waren, die gestohlenen Nigger quer durch die Südstaaten zu transportieren  – vor allem diese Überlegung sorgte dafür, dass der Detektiv und seine Auftraggeber sich ihrer Sache sicher waren, als sie per Sonderzug und bis an die Zähne bewaffnet die Verfolgung der Flüchtigen aufnahmen.
    Herauszufinden, was für einen Waggon Madame Clairborne gemietet hatte und wann er wohin abgefahren war, war sozusagen Routine. Telegramme an alle Bahnstationen bis nach Tuscaloosa hinauf würden den Transport aufhalten. Und schon in Pelahatchie/Mississippi
wurden die Verfolger fündig. Der Sheriff des kleinen Orts hatte, durch die Telegramme alarmiert, den Waggon abkoppeln und auf dem einzigen Abstellgleis der Station stehen lassen. Aber zu mehr, als ihn eine Nacht hindurch von seinen zuverlässigsten Deputies bewachen zu lassen, reichten seine Befugnisse und sein Mut nicht aus, denn es war ein dicht geschlossener Viehwaggon, und die Botschaft aus New Orleans sprach davon, dass die Nigger darin möglicherweise bewaffnet waren. Sollten doch die Besitzer selbst durch die schmalen Ritzen ins Innere spähen!
    Die Louisiana-Miliz, Regiment Denham Parish, traf, mit Ausnahme von gut einem Dutzend Wachen, die bei Baton Rouge den Fluss abriegelten, gegen Mittag in Pelahatchie ein. General Willoughby persönlich befehligte die vollständige Einkesselung des Waggons, die Attacke würde allerdings Henry Hunter anführen und sich so für die Katastrophe von Barataria rehabilitieren können. Dass die Flüchtigen auch diesmal eine Kanone bei sich hatten, war nicht zu befürchten.
    »Ihr da drin«, rief Hunter mit seinem dröhnenden Bass, als alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, »kommt freiwillig heraus, oder wir machen ein Sieb aus dem Wagen!«
    Die Bevölkerung von Pelahatchie, in sicherer Entfernung hinter dem Stationsgebäude, nahm vor Erregung die Hände aus den Taschen, aber es geschah nur, was hier seit Jahren zuverlässig und immer wieder geschehen war: nichts.
    »Wenn wir euch herausholen«, rief Hunter und betonte dieses Wort als besonders bedeutsam, »werden wir jeden dritten Mann aufhängen!«
    Das nahm der Drohung mit dem Zersieben des Waggons zwar einiges an Glanz, versprach aber ein länger andauerndes Schauspiel zu werden, und auch die schläfrigsten Herumlungerer schoben jetzt ihre Hüte aus den Augen und kratzten sich mit dem linken Fuß am rechten Schienbein.
    »Wir schießen in einer Minute«, brüllte Hunter nach einer Minute in die unerträgliche, brütende Stille des Pelahatchie-Mittags.
Aber noch immer erfolgte kein Anzeichen für eine bevorstehende Kapitulation des Waggons.
    Gabriel Beale, der sich neben General Willoughby und dem immer noch einen Arm in der Schlinge tragenden Desmond Bonneterre im Inneren des Stationsgebäudes aufhielt, versuchte einzuwenden, dass ein allgemeines Eröffnen des Feuers bei einer im Kreis angeordneten Truppe nicht ohne Risiko sei, aber da teilte Hunter seine Männer schon in entsprechende Schützengruppen ein. Nach einer weiteren letzten Warnung schlug schließlich fünf Minuten lang Salve auf Salve im Holz des Waggons ein, und die unglaubliche Präzision der Schützen, der ohrenbetäubende Lärm, die umherfliegenden Splitter und die entstehenden Löcher machten die Schlacht von Pelahatchie in der Tat zu einer sehenswerten Sache, über die in der Gegend noch lange geredet wurde. Nur irgendein Gegner zeigte und zeigte sich nicht.
    Mit dem Mut der Verzweiflung und einer breiten Zimmermannsaxt schlug der tapfere Kommandeur, gedeckt von den Gewehren seiner Männer, schließlich eine Bresche in den bereits weitgehend demolierten Waggon, steckte seinen Kopf hinein  – und befahl dann sehr ungehalten, die Kampfhandlungen einzustellen. Der Wagen war leer. Kein Vieh, keine Nigger, nicht einmal irgendwelche Möbel oder sonstiges Hab und Gut einer umzugswilligen alten Dame. Die Männer rangen mühsam um Fassung. Nur die Einwohner von Pelahatchie grinsten einander

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