Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Abschied umarmt, denn in den Nächten zuvor war es noch einige Male sehr haarig zugegangen. Aber
der junge Lotse hatte alle Schwierigkeiten von Schiff und Passagieren ferngehalten. Sie waren an einigen Wracks vorübergekommen, die weniger Glück gehabt hatten, und ihr Anblick hatte auch den letzten und ahnungslosesten der Flüchtlinge klargemacht, was John Gowers für sie getan hatte. Und John Lafflin. Und Jason. Und der riesige, furchterregende Mr. Phineas.
Fast alle weinten, als das kleine Schiff wieder auf den gewaltigen dunklen Strom hinaussteuerte, aber es waren nicht mehr die bitteren Tränen der Sklaverei, die in ihren Augen glänzten. In Hochstimmung befahl der Kapitän Kurs auf St. Louis, laut lachend warf Mr. Phineas Schaufel um Schaufel ihrer letzten Kohlereserven ins Feuer seiner unerschütterlichen Maschine. Alles war gut gegangen – aber sie war fort! Selten war John Gowers sein Leben so leer erschienen wie an diesem Morgen, leer wie der endlos vor ihm ausgebreitete Fluss. Er sah auf das Vorschiff, wo am Tag zuvor noch singende, tanzende Menschen einer ungewissen, aber selbstbestimmten Zukunft entgegengeschwommen waren. Sie war fort.
Sein Blick wanderte ungläubig durch das Steuerhaus, über Karten, Ruder hinweg, zu dem leeren Haken an der Wand, wo normalerweise seine Lotsenjacke aufgehängt war. Er hatte sie Deborah zum Abschied geschenkt, aber Deborah war fort. Als die Sonne aufging, wurde der Mississippi zu einer schimmernden Fläche aus flüssigem Licht, auf die seine Träume hinauszuwachsen begannen. Er sah ihre Augen, ihr Gesicht, er hörte ihre Worte da draußen. Und allmählich begriff er, dass die Leere in seinem Leben nicht vor ihm, sondern hinter ihm lag. Sie war fort. Aber John Gowers war jetzt nicht mehr allein.
»Versponnen«, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihm. »Ja, das ist der richtige Ausdruck: versponnen!« Es war John Lafflin, der ins »Texas« gekommen war, ohne dass der Lotse es bemerkt hatte. »Ich weiß ja nicht, ob das von Interesse für Sie ist«, fuhr er spöttisch fort, »aber wir haben eben ein Floß versenkt.« Wie ein Schlag in die Kniekehle kehrte die Wirklichkeit zu John Gowers zurück, und er sah den Mann mit großen Augen an.
»Na ja, beinahe«, lächelte der Kapitän. »Um ein Haar sozusagen.
Aber ein paar der Ausdrücke, die die Kerle darauf für unseren Lotsen gebraucht haben, kannte selbst ich noch nicht.«
Gowers lachte ein wenig zu laut.
»Ich dachte nur, ich sag Ihnen das«, setzte Lafflin seine Rede fort, »denn ehrlich gesagt fände ich es schön blöd, wenn Sie nach all dem Theater mein Schiff in Sichtweite von St. Louis in den Grund bohren. Nennen Sie mich einen alten Pedanten!«
Sie erreichten St. Louis am Nachmittag, und der Lotse nahm die Einladung seines Kapitäns zu einem späten Mittagessen oder einem frühen Abendessen in der Collins Avenue 24 dankend an. Lafflin machte dem jungen Mann sogar das Angebot, fest für ihn zu arbeiten; aber da Deborah ihn einmal offen vor den Augen des Kapitäns geküsst hatte, kannte John nur ein Thema und war froh, dass er seine vielen Fragen nicht mehr hinter Andeutungen verstecken musste. Und obwohl vernünftige Menschen den Umgang mit Verliebten nach Möglichkeit meiden sollten, stand John Lafflin seinem Lotsen, so gut er konnte, Rede und Antwort, denn er hatte seine Freude an dem, was da zusammenwachsen wollte.
Nein, obwohl er sie seit vier Jahren kannte, wusste er nicht, wo und wie die junge Frau lebte. Das war Teil ihrer Absicherung. Nur Gringoire, nein, Gringoires Frau kannte Deborahs festen Aufenthaltsort, und nur über sie konnte man mit ihr in Verbindung treten. Blumen? Schmuck? Nun ja, er an Johns Stelle würde dieser Frau nichts schenken, was man auch jeder anderen Frau schenken könne.
An dieser Stelle räusperte sich Mrs. Emma Lafflin vielsagend und klärte die beiden Männer darüber auf, dass die Frau noch nicht geboren sei, die ein Blumengeschenk verschmähe. Schmuck sei natürlich immer ein wenig heikel, weil Geschmacksache. Wenn er diesbezügliche Fragen habe, könne er sich jederzeit an sie … Ein Chronometer und einen Sextanten? Nun … Das sei immerhin originell. Kaum zu befürchten, dass ein Mädchen da die Augen verdrehte und sagte: »O Gott, schon wieder ein Sextant!« Ein Astronomielehrbuch? Ja. Auch nicht schlecht. Aber natürlich mit einer Menge Blumen.
Im Verlauf dieses heiteren Abends machte Mrs. Lafflin ihrem
Mann auch Mitteilung über die in seiner Abwesenheit
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