Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
kam Scott als Teil der Erbmasse zurück nach Missouri und begann hier einen Prozess gegen die Erben, in dem er darauf plädierte, durch den Aufenthalt in Illinois ein freier Mann geworden zu sein, der gar nicht vererbt werden konnte. In dem nun beginnenden elfjährigen Prozessmarathon vor verschiedenen Staats- und Bundesgerichten ging es aber nicht nur um die Freiheit oder Unfreiheit von Dred Scott, sondern um exakt die Verfassungsfragen, die sich an der Sollbruchstelle der Vereinigten Staaten von Amerika seit Jahrzehnten aufgetürmt hatten.
Konnte ein Schwarzer in einem Bundesstaat Bürger und in einem anderen Eigentum sein? Wann wurde er das eine oder das andere? Konnte ein Sklavenstaat einen freien Schwarzen zum Sklaven machen, wenn er nur durchreiste? Und konnte umgekehrt ein freier
Staat einem weißen Mann sein Sklaveneigentum wegnehmen, wenn er nur durchreiste? Hatten Regierung, Kongress und Senat überhaupt das Recht, Bundesgesetze zu erlassen, die den Sklavereibestimmungen der Einzelstaaten widersprachen?
Am 6. März 1857 kam der Supreme Court der USA in Sachen Dred Scott und der ihn betreffenden Verfassungsfragen zum vielleicht beschämendsten Rechtsspruch in der Geschichte der Freien und Tapferen. Denn eine Sklavenhaltermehrheit in diesem Gremium hatte entschieden, dass ein Sklave immer ein Sklave bleibt, egal wie lange er in einem freien Staat lebt und wie er dort hingekommen ist. Damit war die Flucht eines Sklaven innerhalb der Vereinigten Staaten aussichtslos geworden. Sein Besitzer konnte ihn überallhin verfolgen und durfte ihn von überall her zurück in die Sklaverei führen, ohne dass irgendeine juristische Gegenwehr möglich war. Die einzige Gelegenheit für einen Sklaven, auf legalem Weg frei zu werden, war die freiwillige Aufgabe des Besitzanspruchs seines Herrn, sei es aufgrund eines Freikaufs oder aus purer Generosität. War ein Sklavenhalter dazu nicht bereit, gab es keine Macht auf Erden, oder jedenfalls keine in den Vereinigten Staaten, die ihm seine Sklaven wegnehmen konnte.
Natürlich war dieses Urteil in den freien Staaten nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben stand, das heißt, die Gerichte etwa von Illinois dachten gar nicht daran, entsprechende Ansprüche gelten zu lassen. Aber in Missouri und den anderen Sklavenhalterstaaten konnte nun theoretisch jeder Weiße auf jeden Schwarzen zeigen und behaupten, er gehöre ihm. Tauchten keine anderslautenden Dokumente auf, konnte der Schwarze nicht nachweisen, dass er entweder freigelassen worden war oder von freigelassenen Eltern abstammte, konnte der Weiße hingegen mindestens einen Zeugen beibringen, der seine Besitzansprüche bestätigte, durfte er den Schwarzen »einpacken und mitnehmen«. Es war dieses vom Kongress bestätigte Urteil des Obersten Gerichtshofes, mit dessen Hilfe Desmond Bonneterre hoffte, seine Hand doch noch sozusagen legal und mit Unterstützung der staatlichen Behörden auf die ihm nach wie vor nur unter dem Namen Moses bekannte Frau zu legen.
Dem Anführer der vier Mann starken Abteilung der St. Louis City Police war vor allem die Begleitung durch die beiden Antragsteller, zwei Männer, die in ihren Anzügen wie verkleidet aussahen, sichtlich unangenehm. Er befahl deshalb den seltsamen Gestalten und seinen eigenen Leuten, auf der gegenüberliegenden Seite der Collins Avenue zu warten, und kam allein auf den bewaffneten Riesen vor dem Haus Nr. 24 zu.
»Guten Abend«, sagte er.
»Guten Abend«, erwiderte Mr. Phineas, lud aber gleichzeitig seine Waffe durch, um dem Polizisten zu zeigen, dass der weitere Verlauf des Abends noch entwicklungsfähig war.
»Na, na«, sagte fast väterlich der bieder und ehrlich wirkende Sheriff. »Wir kennen uns doch. Sie arbeiten beim alten Lafflin in der Fabrik und heißen Phineas, nicht wahr? Sie sind ja auch kaum zu übersehen, lieber Mann.« Der Sheriff lachte ein wenig über seinen eigenen kleinen Scherz, aber Mr. Phineas verzog keine Miene. Der Ankömmling wurde daraufhin amtlich.
»Ich bin Sheriff Samuel Madsen und …«
»… und das ist eine doppelläufige Schrotflinte, Sir. Mit Sauposten geladen!«, ergänzte der Riese trocken. Der Polizist kratzte sich betreten am Kinn.
»Ich würde gerne mit Mrs. Emma Lafflin sprechen, wenn das möglich ist, ohne erschossen zu werden.«
»Das ist es«, sagte Mrs. Lafflin, die jetzt die Tür geöffnet hatte. »Hallo, Sam!«
»Guten Abend, Emma«, erwiderte der Sheriff erleichtert. »Darf ich hereinkommen?«
»Das hängt davon
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