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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Stirn als den Anführer der Rebellen erkannte.
    »Guten Tag«, sagte John Gowers trocken.
    Der Häuptling musterte ihn von oben bis unten, wobei er wegen seiner Einäugigkeit den Kopf auf seltsame, vogelartige Weise bewegte, und fixierte dann das Moko im Gesicht seines Gegenübers.
    »Sterne und Strömungen, die Wolken und den Wind kenne ich!« Titokowaru sah dem seltsamen Besucher jetzt genau in die Augen. »Ist das so?«
    »Ja.«
    »Woher haben Sie diese Zeichen?«
    »Te Kooti Arikirangi Te Turuki ließ sie in mein Gesicht schneiden, weil ich ihn über das Meer gebracht habe.«
    Erstauntes Gemurmel erhob sich, und die Krieger, die bisher ihre Waffen drohend vor, hinter und neben Gowers geschüttelt hatten, standen still wie ein Mann. Te Kooti! Te Kooti Arikirangi, der Prophet, der von Chatham geflohen war, die Pakeha genarrt hatte, der Zerstörer von Matawhero, der Bezwinger der Ostküste, schickte ihnen einen Boten! Das war eine große Nachricht.
    »Was tun Sie hier?«, fragte Titokowaru, mit einem Mal steif und ein wenig unsicher wie ein Regierungschef, der mitten in einer Wahlkampfrede von seinen diplomatischen Verpflichtungen eingeholt wird.
    »Ich suche einen Mann«, antwortete Gowers, »der in der Patea Field Force gekämpft hat, und hoffe, ihn hier zu finden.«
    »Wie ist Ihr Name?« Titokowaru gewann wieder an Sicherheit
und erinnerte sich daran, dass auch er seit gestern ein Sieger war.
    »Mein Name ist John Gowers.«
    »Nun, Mr. Gowers«, sagte der Häuptling, und der Anflug eines ironischen Lächelns zuckte in seinem verwüsteten Gesicht, »die Ehrengäste unserer kleinen Siegesfeier finden Sie hier drüben.«
    Die Maori lachten über diesen gelungenen Scherz, immer noch aufgekratzt vom Kämpfen und Töten des vergangenen Tages. Die nervöse Anspannung wich wieder der Fröhlichkeit und dem Stolz auf ihren Triumph, während Gowers langsam die Reihe der so gnadenlos zur Schau gestellten Körper abschritt. Mit einigen dieser Männer war er auf einem Schiff gefahren, hatte er Flüsse, Gebirge und schließlich den furchtbaren Buschwald durchquert. Aufmerksam studierte er ihre Gesichter, blieb aber nur bei der Leiche des Mannes, dessen Kleider und Stiefel er trug, mit dessen Frau er geschlafen hatte, kurz stehen und senkte den Kopf. Das war sein Abschied.
    Als Gowers am Ende der Reihe angekommen war, fragte Titokowaru: »Ist der Mann, den Sie suchen, darunter?«
    »Nein«, sagte Gowers und dachte bereits darüber nach, wie er aus der sonderbaren und gefährlichen Situation wieder herauskommen würde.
    »Dann erlauben Sie, dass wir zunächst mit unserer Zeremonie fortfahren!?«
    Wieder war da diese leichte, bedrohliche Ironie, und Gowers beeilte sich zu sagen: »Selbstverständlich!« Dann trat er zurück und fing an  – von vielen wachsamen Augen beobachtet  –, die Pfeife zu stopfen, die Emilia von Tempsky ihm geschenkt hatte.
    Er sah ein nahezu urzeitliches Ritual. Jeder Krieger, der gestern einen Feind getötet hatte, trat zu der Leiche des Mannes und schilderte in kurzen oder auch längeren Worten, wann und auf welche Weise sein Tod vonstattengegangen war. Dabei gab es einige Male Meinungsverschiedenheiten, weil mehrere Schützen
offenbar dasselbe Ziel getroffen hatten und sich nun über den Besitz der Kleider und Waffen des Verstorbenen einig werden mussten. Insbesondere um die Ehre, Manu-Rau getötet zu haben, stritten sich gleich drei Männer, unter ihnen der junge Tutange.
    Der Preis wurde schließlich einem alten Veteranen namens Te Rangi Hinakau zugesprochen, der im Gegenzug für diese hohe Auszeichnung jedoch großherzig auf Waffen und sonstige Habe des Getöteten verzichtete. Von Tempskys Revolver erhielt daraufhin zu seiner großen Freude Tutange Waionui, den berühmten gebogenen Säbel und das Tagebuch Manu-Raus nahm der Häuptling selbst an sich.
    Danach wurden die Leichen an die einzelnen beteiligten Stämme verteilt, wozu Titokowaru mit einem Stock auf sie deutete: »Diesen für Taranaki! Diesen für Ngarauru! Diesen für Ruanui!« Das versammelte Volk beantwortete jeden dieser rituellen Besitzansprüche mit einem lang gezogenen »Ko Hara!   – Besiegt!«. Anschließend trübte sich die gemeinschaftliche Freude ein wenig, weil die Frage des Verspeisens der Feinde noch immer unterschiedlich beantwortet wurde.
    Vor allem die Ngarauru, die selbst viele Gefallene zu beklagen hatten, und unter ihnen insbesondere Katene, der seinen Sohn verloren hatte, bestanden darauf, mindestens einen

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