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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Pakeha zu kochen und zu essen. Titokowaru, der die Leichen den Stämmen bereits formell übergeben hatte, gestand ihnen das schließlich zu, und Katene wählte einen Mann, den er in seiner Zeit bei der Patea Field Force gut gekannt hatte. Die über ihre Verluste aufgebrachten Ngarauru schleiften das Opfer an den Knöcheln hinter eine der Hütten, wo ein entsprechender Ofen bereits aufgebaut war.
    Für die Übrigen ließ Titokowaru einen Scheiterhaufen von fünf Metern Durchmesser und einem Meter Höhe errichten; nicht in Te Ngutu o te Manu selbst, sondern auf einer nicht allzu weit entfernten benachbarten Lichtung, damit der Brandgeruch
nicht in die Hütten zog. Vor allem die Kinder waren nun eifrig damit beschäftigt, den Wald nach trockenem Holz für ein so großes Feuer zu durchkämmen. Das Letzte, was Gowers von den Leichen sah, war, dass sie durch Schmutz und Staub aus dem Dorf gezogen wurden wie Hektor aus dem großen alten Lied.
    Er selbst wurde zwar nicht offiziell unter Arrest gestellt, aber nicht weniger als sechs bewaffnete Männer, die sich sehr zu ärgern schienen, weil ihnen dadurch das Schauspiel der Verbrennung entging, bewachten jede seiner Bewegungen. Eine Stunde später sah er eine dicke Rauchwolke über dem Wald von Ahipaia in die nahezu bewegungslose Luft steigen, wo sie noch lange die Form einer schlanken, endlos hohen Säule behielt, ehe Tawhiri-matea, der Gott des Windes und der Stürme, sie schließlich doch auflöste.

152.
    Als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Flussbett des Mississippi allmählich auf seiner ganzen Länge begradigt, eingedämmt und eine ständige Fahrrinne ausgebaggert wurde, verschwanden die letzten der alten Orientierungsmarken und Points, an denen sich einst jene Raddampfer entlanggetastet hatten, die jetzt nur noch als besondere Touristenattraktion eingesetzt wurden. Einige dieser Namen hielten sich jedoch und schafften es, vor allem als Bezeichnungen für Altarme und Bayous, sogar bis auf moderne Straßenkarten.
    Nicht so eine kleine Sandbank namens Deep South , die irgendwo zwischen Crystal City und der Einmündung des Kaskaskia River vor einem Inselchen auf der Illinois-Seite lag. Es war eine junge Sandbank, erst irgendwann um die Jahrhundertwende aus den trüben Fluten aufgetaucht wie der blanke Schädel eines Walgerippes, und weil sie weit abseits aller bekannten Fahrrinnen lag, erlangte sie nie irgendeine Bedeutung. Kurios war sie eigentlich nur wegen ihres Namens, denn der tiefe, der echte Süden begann erst runde hundert
Meilen weiter flussabwärts. Und nur noch die ältesten Schiffer, Lotsen und Flößer wussten oder vermuteten zumindest, dass sie ihren ungewöhnlichen Namen wahrscheinlich trug, weil irgendwo weit unten im toten Sand, den der Mississippi darüber zusammengeschoben hatte, das Wrack eines Schiffes lag, das einmal Deep South geheißen hatte.
    Viele der alten Namen verdankten sich solchen Wracks; aber die riesigen Schwimmbagger rissen jetzt binnen Minuten alles aus seinem Grund, eiserne Maschinenmäuler zerkleinerten Holz, Wurzeln, sogar im Flussbett wandernde Felsbrocken zu einer einzigen schlammigen Masse und spuckten sie ans Ufer, wo eine neue Generation Menschen Deiche und Dämme aus ihnen baute.
     
    Deborah hatte noch immer keine Zeit gehabt, John oder Mr. Phineas gegenüber den unheimlichen kleinen Mann zu erwähnen, dem sie an Deck begegnet und der so schnell über Bord gesprungen war. So schnell, dass sie sich ernsthaft fragte, ob sie sich diese Begegnung nur einbildete. Tatsächlich hatte sie John überhaupt nicht mehr gesehen, seit Gringoire gestorben war, nur seine Stimme gehört, die sie mit immer neuen Befehlen vom Bug zum Heck und wieder zurück scheuchte: »Backbord vorn? Steuerbord achtern? Steuerbord vorn?«
    Deborah kam mit dem Loten kaum nach, weil sie allein war und das Schiff Volldampf fuhr, in einer schmalen Rinne am Ostufer, um mögliche Verfolger so weit wie möglich hinter sich zu lassen. Hätte sie gewusst, dass seine Fragen und ihre Antworten: »Twaineinhalb! Twaineinviertel! Twaineinhalb!«, die letzten Worte waren, die sie im Leben wechselten, wäre sie vielleicht sogar glücklich gewesen, denn was bedeuteten sie anderes, als dass sie auf ihrem Weg waren?
    Mr. Phineas hörte zuletzt etwas, das nach Schüssen in seiner unmittelbaren Umgebung klang, und stutzte, aber da barst auch schon der Kessel, eine armdicke Stichflamme schoss aus der klaffenden Öffnung hervor, erreichte die Kohlen und das Pulver

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