Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
Vom Netzwerk:
mit Kugeln zersiebt, und sie ließ die Gelegenheit in der aberwitzigen Hoffnung verstreichen, dass die Männer doch noch an ihnen vorbeigehen könnten. Die wurde rasch zunichte.
    »Nell! Nell Fagan«, rief William Blampin. »Gib die Kinder heraus, und keinem geschieht was!«
    Die Kinder? Nell verstand nicht. Hatten sie die Kinder denn nicht längst? Und wenn nicht, wer hatte sie dann? Wie hatten sie überhaupt ihre Höhle entdeckt? So schnell? So zielsicher? Wer
war der Mann gewesen, der sie so übel zugerichtet hatte, und warum hatte er der Schmiere die Kinder nicht einfach übergeben?
    »Kommt doch rein und holt sie euch«, schrie sie in der plötzlich aufflackernden Hoffnung, durch die offensichtliche Ahnungslosigkeit der Verfolger doch noch einen Trumpf ausspielen zu können.
    »Sei nicht blöd, Nell. Wenn den Kindern was passiert, werdet ihr alle gehängt.«
    »Ja, aber du auch.« Sie lachte halb wahnsinnig, in die letzte Enge getrieben. »Und den Ersten, der reinkommt, knalle ich ab!«
    Um dieser Drohung Gewicht zu verleihen, schob sie den Revolver unter dem Vorhang durch, aber das war auch ihr Fehler. Im gleichen Moment, als sie abdrücken wollte, sprang jemand von der niedrigen Aufschüttung oberhalb des Eingangs schwer auf ihre Hand und brach ihr dabei zwei Finger und den Mittelhandknochen. Fast im gleichen Augenblick wurde sie am Arm nach draußen gerissen und wie ein lebender Schutzschild gegen den Eingang gedrückt.
    »Ihr da drin: Kommt einzeln und langsam heraus, es ist vorbei!« , rief der Mann, der sie gepackt hielt. Nell versuchte, nach ihm zu treten, aber er drehte ihr die verletzte Hand auf den Rücken, bis sie vor Schmerz aufschrie.
    »Nicht schießen!«, schrie von innen Cousin Lionel, wobei er seine ganze Erfahrung in Kapitulationsverhandlungen ausspielte. »Wir kommen, wir kommen!«
    Und sie kamen, einer nach dem anderen, Onkel Sam Fagan auf allen vieren in einen ihm jetzt völlig unverständlichen Alptraum kriechend. Die Polizisten legten sie aus wie eine Strecke erbeuteter Hasen. Nur Nell musste gefesselt werden und spuckte zornig ihr Blut auf alles und jeden, der ihr zu nahe kam.
    »Das sind noch nicht alle«, sagte Gowers, der den großen blonden Jungen vermisste, den er zuletzt auf der Jagd, unmittelbar neben der Anführerin gesehen hatte. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Er riss ein Streichholz an und ging entschlossen
in den Keller hinunter. Blampin und Billings entzündeten erst die kleine Paraffinlampe, die zur Notfallausrüstung der Victorian Police gehörte, und folgten ihm dann.
    In der Höhle war niemand mehr. Wo war der Junge geblieben?
    »Wo sind die Kinder?«, fragte William Blampin.
    »Nicht hier«, sagte Gowers und hatte es plötzlich sehr eilig. Er bückte sich nach seiner Jacke, die er eben bei der Befreiung einfach fallen gelassen hatte, und wollte hinaus.
    »Ist das Ihre Jacke?«, fragte Billings misstrauisch.
    »Ja«, sagte Gowers und war schon halb zum Eingang hinaufgegangen, als er den Lauf einer Waffe in seinem Rücken spürte.
    »Sie sind verhaftet!«, sagte der Konstabler.
     
    Als die Schießerei begann, hatte James Fagan sich in den gleichen Graben geworfen, in dem Gowers wenige Minuten zuvor mit den Kindern verschwunden war. Um ein Haar hätte ihn seine eigene Schwester erschossen, als er weiterkroch und dabei kurz hochschaute. Das vertrieb gründlich seine Lust, hinter ihr herzulaufen. Er robbte stattdessen weiter voran, zur Seite, bemerkte dabei, dass die Polizisten oder wer immer die Fackeln trug, an ihm vorüberliefen und er jetzt außerhalb des Kreises war, den sie gezogen hatten.
    Dann sah er plötzlich den Mann und die Kinder, wenige Dutzend Meter vor sich. Hätte er eine andere Waffe bei sich gehabt als sein Messer, wäre er aufgesprungen und hätte ihn angegriffen, so sehr pulste das Adrenalin der Verfolgung noch in seinen Adern. Stattdessen blieb er liegen und sah, wie die Flüchtenden geduckt eine große Ruine erreichten und in ihrem tiefen Schatten verschwanden.
    Zu seiner nachhaltigen Überraschung tauchte der Mann wenige Minuten später wieder auf, und hocherfreut sah er ihn den in der Ferne verschwindenden Lichtern nachlaufen. Er wartete noch eine Weile, aber als er sich ganz sicher fühlte, erhob sich
James Fagan, klopfte den Staub aus seinen Kleidern und ging zu der Ruine hinüber. Im Innern war es zu dunkel, um irgendeine Spur zu erkennen. Er schloss die Augen und lauschte; mit allen Fasern seines Körpers und Geistes konzentrierte er sich

Weitere Kostenlose Bücher