Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Hauptrolle in ihrer etwas einseitigen Konversation.
Wie er selbst Mr. Lafflin kennengelernt hätte? Er habe ein Gemälde von Mrs. Lafflin gefertigt, und man sei sich, nach anfänglichen Missverständnissen, über die gemeinsame Begeisterung für die Idee des Sozialismus nähergekommen. Mr. Lafflin sei sehr bewandert in den verschiedenen Theorien und Spielarten dieses großen Gedankens, sei sogar in Europa gewesen und habe die führenden Köpfe der neuen Bewegung persönlich kennengelernt. Er betrachte sich gewissermaßen als einen Mäzen des Sozialismus und habe zweien dieser jungen Männer sogar beim Druck eines kleinen Traktats finanziell unter die Arme gegriffen: Das kommunistische Manifest , von einem gewissen Engels und – wie hieß noch der andere? Sehr interessante Gedanken.
Er, De Franca, habe noch ein gutes Dutzend Exemplare der kleinen Schrift, die John Lafflin damals in einer großen Kiste nach Amerika einführte. Falls Mr. Dorset sich interessiere? Ach nein?!
Wie ein Schießpulverfabrikant auf solche Ideen komme, wisse er auch nicht genau, John rede nicht viel darüber. Es müsse mit seiner Vergangenheit zu tun haben, sozialistischen Lebensexperimenten in seiner, Johns Jugend, unten im Süden. Galveston, soweit er wisse. Und irgendetwas noch Früheres, wohl in New Orleans. Sicher ein halbes Jahrhundert her, schließlich sei der alte Knabe inzwischen schon über siebzig.
Seine Geschäfte? Gut. Glänzend vielleicht sogar, denn erst vor drei Jahren habe er ein eigenes Schiff erworben, und das spreche doch – »Nicht bewegen!« – für eine exorbitante Auftragslage. Kein Wunder, Schießpulver werde ja leider immer gebraucht.
Passagiere? Nein, nicht, soweit er wisse. Wer wolle auch schon auf einem Schiff voller Pulver reisen, nicht wahr?! Offene Kessel und all das – »Nicht den Mund verziehen, bitte, Sir. Entschuldigung!« – Der Name? Schöner, kraftvoller Name. Wenn er seinen Freund John Lafflin je malen sollte, dann nur vor seinem Schiff und dessen verschnörkeltem Namenszug.
Deep South .
40.
Sobald er die Kugel pfeifen hörte, dicht über seinem Kopf, wusste Gowers, dass die Flucht zu Ende war und er kämpfen musste. Er konnte schlecht mit einem halb nackten Kind über der Schulter und einem zweiten an der linken Hand kämpfen; ihm blieb also nichts anderes übrig, als die Kinder zu verstecken. Kaum hatte er sich zu diesem Zweck in einen Graben fallen lassen, als wieder wie wild geschossen wurde: diesmal von der anderen Seite. Um nicht zwischen zwei Feuer zu geraten, schob er die Kinder den Graben entlang aus der Linie, an der sich die Parteien
treffen mussten. Dabei schoss Nell Fagan noch einmal auf ihn. Erst dann ergriff sie die Flucht vor den herannahenden Ordnungskräften.
Gowers, der mitsamt den Kindern begreiflicherweise auch William Blampin nicht in die Arme laufen wollte, stieg kurz auf eine kleine Erhebung und sah, dass ihn seine Flucht bis auf eine Viertelmeile an Poll Hunleys Unterschlupf herangeführt hatte. Er fasste seinen Entschluss rasch, zu rasch vielleicht, aber die Tatsache, dass Nell auf sie geschossen hatte, brachte ihn auf den Gedanken, dass zunächst die Verfolger um jeden Preis vertrieben werden mussten. Dazu würde er den Polizisten die Höhle der Entführer zeigen müssen, denn nur er war in der Lage, sie in der Dunkelheit ohne Verzug zu finden. Also verließ er Polls Keller so schnell wie möglich, um sich dem »Gegenangriff« anzuschließen – ein Fehler und nicht der letzte in einer Kette von Fehlern, aber vielleicht der entscheidende.
Die Polizisten hatten William Blampin endlich wieder eingefangen und zu einem deutlich langsameren Tempo genötigt. Sie schlichen geduckt, die Waffen im Anschlag, durch unbekanntes Gelände auf einen weder zahlenmäßig noch sonst wie identifizierten Gegner zu; nie eine schöne Sache und für Beamte der Victorian Police eigentlich viel zu heroisch. Deshalb wurden sie auch immer langsamer und blieben schließlich ganz stehen. Den letzten von ihnen, den hintersten, erkannte John Gowers, der ja schon einige seiner Gefangenen an die Polizei überstellt hatte.
»Billings, nicht schießen!«, sagte er so unaufgeregt wie möglich, als er sich aus der Deckung einer flachen Mauer zu erkennen gab. Konstabler Billings tat dennoch einen sehenswerten Sprung in die Nachtluft und prallte dabei auf einen seiner Vorderleute, der ebenfalls glaubte, sein letztes Stündlein habe geschlagen. »Jesus!«, riefen beide wie aus
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