Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Huggins kicherten bei dieser Vorstellung.
Der Detektiv seufzte. »Gentlemen, bleiben wir bitte sachlich. Ein Netz von Verschwörern beseitigt man nicht, indem man eine Masche zerreißt.«
»Aber indem man die Spinne tötet«, erwiderte Dick Willoughby hartnäckig, wenn auch nicht ganz im Bild bleibend.
»Denken Sie bitte auch an die bereits entlaufenen Neger«, fuhr der Detektiv ungerührt fort. »Wenn meine Vermutungen richtig sind, sollen sie auf der Deep South in den Norden gebracht werden. Das verhindern Sie nicht, wenn Sie in blindem Aktionismus einen alten Mann töten – von den juristischen Folgen gar nicht zu reden.«
»Woher wissen Sie überhaupt, dass dieser Lafflin Teil der Verschwörung ist?«, warf Bonneterre misstrauisch ein. »Alles, was Ihre sogenannte Ermittlung bisher ergeben hat, ist, dass der Mann ein Schiff besitzt und in den Süden fährt. Für alles andere habe ich zumindest noch keine Beweise gesehen.«
Gabriel Beale zog prompt einen großen Umschlag aus der Rocktasche und entfaltete ihn mit schnellen, geübten Handgriffen. »Das sind Kopien der Frachtpapiere der Bywa Bryan , die heute Morgen nach New Orleans abging.«
Die jungen Männer, wieder ganz die Ritter, für die sie sich hielten, beugten sich über die ihnen vorgelegten Dokumente, als seien es die Angriffspläne der Schlacht von Salisbury oder Barham Down.
»Wenn Sie sich diese Position ansehen«, sagte Beale und zeigte auf eine bestimmte Stelle des Frachtbriefs, »werden Sie zweifelsohne feststellen,
dass die Firma Lafflin vorgestern Nachmittag achtzehn Fässer mit Pulver auf der Bywa Bryan eingeschifft hat.«
»Ja und?«, fragte Dick Willoughby. »Die leben ja schließlich davon, dass sie Pulver verkaufen.«
»Idiot!«, sagte sein Bruder Michael trocken. »Warum wohl bringt er das Zeug nicht auf seinem eigenen Schiff runter nach New Orleans?«
»Weil er mit seinem eigenen Schiff etwas anderes transportiert«, beantwortete Bonneterre die ironische Frage.
»Eben!«, sagte Gabriel Beale nicht ohne einen Anflug von Ermittlerstolz. »Und diese Reise geht vermutlich gar nicht nach New Orleans.«
»Wer ist dieser Lafflin?«, fragte Bonneterre nach einer beeindruckten Pause den schlauen kleinen Yankee mit jetzt deutlich erhöhtem Respekt. »Was haben Sie sonst noch über ihn herausgefunden?«
»Noch nicht viel«, erwiderte Beale bescheiden. »Außer dass niemand zu wissen scheint, woher er das Geld hatte, um seine Firma zu gründen. Aber …« Er lächelte und machte eine kleine Kunstpause, um die Spannung der jungen Männer zu erhöhen. »Es interessiert Sie vielleicht, wer sein Lotse ist, Gentlemen. Der Mann heißt John Gowers und wird ›der Engländer‹ genannt.«
»Und?«, fragten Cheever und Huggins ungeduldig wie aus einem Mund.
»Irgendwas scheint mit seinen Augen nicht zu stimmen«, sagte der Detektiv. »Er trägt fast ständig eine blaue Brille.«
Das entschied die Sache. Nun würden sie, ohne anzuhalten, heimfahren und den Mississippi, all seine Ufer und Anlegestellen nach einem Dampfschiff namens Deep South absuchen, als sei es das Flaggschiff der spanischen Silberflotte.
42.
Nell Fagans Mund blutete immer noch, aber sie riss sich den Fetzen Stoff im Laufen vom Kopf, um mehr Luft zu bekommen. Sie sah ihren Bruder nicht neben sich und nicht hinter sich, als sie lief; nur die Lichter kamen, nachdem sie eine Weile gestoppt hatten, jetzt immer rascher hinter ihr her. Jamie musste ihr wieder einmal voraus sein, der Feigling, so wie er ihr auf den vielen Fluchten ihres Lebens immer voraus gewesen war, wenn es gefährlich wurde.
Als Letzte von allen erreichte sie ihren Schlupfwinkel und schob ihre dicht am Eingang zusammengedrängte Bande unter die Erde. Keine besonders gute Idee, aber dafür auch ihre einzige. Nachdem sie verwundert festgestellt hatte, dass Jamie auch hier nicht gegenwärtig war, ließ sie alle Lichter löschen und drohte, jeden niederzuschießen, der auch nur einen Laut von sich gäbe. Daraufhin weckten die Cousinen den in seinem Winkel schnarchenden Onkel Sam.
Nell kroch unterdessen zum Eingang zurück und spähte unter dem Vorhang hindurch in die Nacht. Sie musste nicht lange warten. Graue Schatten schlichen heran, drei, vier, fünf – sie verteilten sich rings um die Höhle und nutzten dabei jede Deckung, die sie finden konnten. Einen hätte Nell vielleicht sogar erschießen können, er reckte den Kopf zu hoch. Aber dann hätten die anderen den Vorhang und alles, was hinter ihm lag,
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