Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Intelligenz, Geschick und Kühnheit zutraute, hielt man Moses zeitweise sogar für einen weißen Mann, einen Abolitionistenführer, der über ein Heer von Helfern, Zuträgern, Spionen verfügte, und die Wut der bestohlenen Plantagenbesitzer und Farmer wurde so groß, dass es gelegentlich zu Lynchmorden an Weißen kam, die im Verdacht standen, solche Hilfsdienste zu leisten. Tatsächlich überstieg die Zahl der vom Mob
getöteten Weißen diejenige der gelynchten Schwarzen zeitweise um mehr als die Hälfte.
Man dachte auch an einen freigelassenen Sklaven, von denen es im Süden rund eine Viertelmillion gab, denn Moses, so viel war sicher, konnte offenbar ohne große Schwierigkeiten enorme Strecken zurücklegen, und das war einem Schwarzen, der nicht über die entsprechenden Papiere verfügte, so gut wie unmöglich. Aber als Chat Logan, ein fleißiger freigelassener schwarzer Pflanzer aus Blytheville/Arkansas, bei den Polizeibehörden seines Staates den Verlust von sechzehn seiner Sklaven beklagte, war auch diese Möglichkeit wieder infrage gestellt.
Moses machte offenbar keinen Unterschied zwischen weißen und schwarzen Sklavenhaltern, und das steigerte die Verwirrung, die seine Tätigkeit auslöste, zeitweise bis zur Hysterie – auch bei den Sklaven selbst. »Go down, Moses«, erklang von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang immer inbrünstiger auf den Baumwoll- und Tabakfeldern des Südens, und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis er auch in Louisiana, Mississippi oder Alabama zuschlagen würde.
46.
Die Einladung der Whakarau erfolgte heimlich. Ein Bote kam zu dem alten Mann und bestellte ihn nach Waitangi; er sollte in einer bestimmten Nacht dort sein und weder vorher noch nachher noch unterwegs mit den Pakeha sprechen. Der Bote war kein Gefangener, war ein Maori von Chatham, zu jung, um einer der Eroberer zu sein oder auch nur Erinnerungen an die Eroberung zu haben. Die Whakarau bedienten sich solcher Leute, bestachen sie mit Geld oder der Gunst ihrer Frauen, um sich auf der Insel untereinander zu verständigen.
Der alte Mann, seit mehr als dreißig Jahren gewohnt, den Maori zu gehorchen, ging. Ging auf der einzigen Straße der Insel, die, obwohl hier und da von den Pakeha aufgeschüttet und mit Wagen befahren, doch nicht viel mehr war als ein breit ausgetretener
Pfad. Er schlief schlecht in den Hügeln und war sehr unruhig, wie immer, wenn er das Meer einen Tag lang weder sah noch hörte. Er trug ein Netz bei sich, um, falls jemand ihn fragen würde, was er in Waitangi wolle, sagen zu können: ein Netz verkaufen. Aber niemand fragte ihn irgendetwas, obwohl er gelegentlich Leuten begegnete, die ihn wohl nur für einen verrückten alten Mann hielten, der ein Netz ins Landesinnere schleppte.
Mit der Abenddämmerung des dritten Tages kam er nach Waitangi, und der Bote, der ihn bereits erwartet hatte, brachte ihn in eine der Hütten der Whakarau in der Otea-Niederung. Eine Frau bot ihm zu essen an, was er ablehnte, und hieß ihn, sich niederzulegen, was er annahm, denn er war schon lange nicht mehr eine so weite Strecke gelaufen. Mitten in der Nacht wurde er geweckt, und als er aus der Hütte kam, sah er zu seinem Erstaunen, dass alle Gefangenen wach waren, selbst die Kinder, und mit freudigen, gespannten Gesichtern einem großen Feuer zustrebten, das man in einer Talmulde entfacht hatte. Dort erwartete sie der Prophet.
Te Kooti sah ganz und gar nicht aus wie ein Erzengel; er ging herum, lächelte, scherzte mit den Erwachsenen und brachte die Kinder zum Lachen. Erst nach einer Weile drehte er sich mit dem Gesicht zum Feuer und schwieg lange. Sein Schweigen fiel auf die Menge und verbreitete sich in ihr. Die Menschen sanken zu Boden, einige setzten sich, andere knieten, nur die dunkle Gestalt Te Kootis schien zu wachsen vor dem lodernden Feuer, und als er sich umdrehte, sahen sie, dass der Geist über ihm war.
Mit tiefer Stimme begann er zu singen: »Tiwha tiwha te po!« – Schwarz, schwarz ist die Nacht! Dann sprach er von den Offenbarungen, die er in seiner schweren Krankheit empfangen hatte, von dem Auftrag, den ihm Te wairua o te Atua , der Geist Gottes, gegeben habe: seinen Namen bekannt zu machen »ki tona iwi e noho whakarau nei i tenei whenua« , unter seinem Volk, in der Gefangenschaft dieser Insel. Er sprach von den ersten Dingen der Vergangenheit und dem Whakapapa als der Verbindung zwischen
Menschen und Gott. Er sprach vom Frieden, von dem man sich abgewandt habe und den man wieder leben
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