Fluch des Wolfes: Alpha & Omega 3 - Roman (German Edition)
waren an ihn gerichtet, aber er konnte nicht darauf antworten– und mit ihnen zu reden, verlieh ihnen nur noch mehr Kraft.
Sie wurden von Schuldgefühlen angezogen. Seinen Schuldgefühlen– sie hielten die Geister davon ab, zu dem Ort weiterzuziehen, an den sie gehörten. Es hätte etwas anderes geben müssen, das man für sie hätte tun können. Dass dem nicht so war, veränderte seine Gefühle kein bisschen.
Sie hatten ein Kind beschützt und die Kontrolle über ihre Wut verloren. Charles wusste wie jeder Werwolf, wie es war, die Kontrolle zu verlieren. Ein Pädophiler hatte im Revier des Rudels Kinder gejagt, und sie waren ausgeschickt worden, um ihn zu erledigen. Und genau das hatten sie getan. Doch dann hatten sie die Sache vollkommen vermasselt. Zu anderen Zeiten wären sie bestraft, aber nicht getötet worden.
Und jetzt suchten sie ihn heim. Dass er sie nicht gehen lassen konnte, bildete die zweite Last, die Charles zu tragen hatte; noch etwas, das er ihnen schuldig war.
Sein Großvater– der Vater seiner Mutter– hatte ihn das gelehrt, und nichts in seinem bisherigen sehr langen Leben hatte ihm Gründe geliefert, es zu bezweifeln.
Dave Mason, der Tote, der Charles am nächsten stand – der letzte der Minnesota-Wölfe, die Charles getötet hatte– öffnete seinen Mund und sprang nach vorn. Dave war ein guter Mann gewesen. Nicht gerade der Klügste oder Freundlichste, aber ein guter Mann, der zu seinem Wort stand. Er hatte begriffen, dass Charles nur tat, was nötig war. Dave hätte nicht gewollt, dass sein Geist jemanden quälte.
Daves kalte, gierige Augen suchten im Spiegel Charles’ Blick, während er seinen saugenden Mund kalt und scharf an Charles’ Hals legte und sich an seinen Schuldgefühlen labte. Nach ein paar Minuten verschwand er aus dem Blickfeld, aber nicht aus Charles’ Wahrnehmung, während die Geister hinter ihm einer nach dem anderen dasselbe taten, bis Charles scheinbar allein vor dem Spiegel stand. Er fühlte, wie seine Geister Stärke aus ihm gewannen, während sie ihn schwächten. Sie berührten ihn nicht wirklich. Noch nicht. Aber er wusste, dass er nicht mehr so klar dachte, seinem Urteil nicht mehr vollkommen vertrauen konnte.
Anna, auf der anderen Seite der Wand, bewegte sich unruhig– nicht wach, aber doch wissend.
Er sollte seine Verbindung zu ihr wieder schließen. Er glaubte nicht, dass seine Geister das Band benutzen konnten, um sie zu erreichen, aber er war sich nicht sicher. Er könnte es nicht ertragen, wenn sie ihr Schaden zufügten.
Doch Charles konnte es auch nicht ertragen, wieder von ihr getrennt zu werden.
Annas Handy klingelte, und sie grummelte, während sie auf dem unbekannten Nachttisch danach suchte.
» Hallo, hier ist Anna«, meldete sie sich schlaftrunken.
Er war zu sehr abgelenkt, um die Worte am anderen Ende der Leitung zu hören. Stattdessen lauschte er Anna und ließ sich von ihrer Stimme daran erinnern, dass er sie nicht vertrieben, sie nicht unwiderruflich verletzt hatte. Noch nicht.
» Jetzt sofort?« Ein Zögern. » Sicher. Wir helfen gern. Können Sie mir die Adresse geben? Nein. Nicht nötig. Wir haben W-Lan, also haben wir einen Internetzugang. Warten Sie kurz, ich brauche einen Zettel.« Sie zog noch etwas anderes von dem Tisch neben ihrem Bett– dem Geräusch nach zu urteilen, ihre Tasche. Charles wandte den Blick vom Spiegel ab.
» Okay. Ich habe Stift und Zettel.«
Er konnte jetzt nicht losziehen und mit den Regierungsbeamten arbeiten. Nicht so. Er würde jemanden verletzen, der es nicht verdient hatte.
Nutz mich, mischte Bruder Wolf sich ein. Ich bleibe bei Anna. Das ist sicherer für alle. Ich werde niemanden verletzen. Ich werde sie vor ihnen beschützen.
Wen meinst du mit ›ihnen‹?, fragte Charles.
Das FBI , die Killer, die Toten. Sie alle und jeden Einzelnen. Sie wird sicher sein – genauso wie die anderen. Ich werde sie nicht verletzen, außer, mir bleibt keine Wahl. Kannst du von dir dasselbe behaupten?
Der Gedanke, dass Bruder Wolf weniger gefährlich war als er, brachte Charles fast zum Lächeln, aber im Moment schien das wahr zu sein. Ohne noch einmal in den Spiegel zu sehen, begann er, sich zu verwandeln: Er würde die Sicherheit seiner Gefährtin seinem Wolf anvertrauen.
» Wie lange brauchen Sie bis hierher?« Leslie Fishers Stimme klang kühl und professionell, und es lag ein drängender Unterton darin.
Eine junge Frau war aus ihrer Wohnung verschwunden, aber noch nicht lange. Glücklicherweise war
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