Fluch des Wolfes: Alpha & Omega 3 - Roman (German Edition)
Hier ist Owens.«
» Isaac, hier spricht Anna. Wir brauchen eine Hexe.«
Die FBI -Agenten gingen, um eine Leichenschau für die Hexe zu organisieren, die erst am nächsten Morgen um zehn Uhr Zeit hatte. Beauclaire erklärte ihnen, dass er in der Zwischenzeit nach jemandem suchen wollte, der den Gehörnten gekannt hatte, der 1981 gestorben war, um herauszufinden, ob er vielleicht Halbblutkinder hinterlassen hatte.
Anna wartete, bis Charles die Tür geschlossen hatte. » Was siehst du im Spiegel?«, wollte sie wissen.
Er schloss die Augen und wandte sich nicht zu ihr um.
» Charles?«
» Es gibt Dinge«, antwortete er langsam, » die besser werden, wenn man darüber redet. Es gibt aber auch Dinge, denen man mehr Macht verleiht, wenn man über sie spricht. Unser Problem hier gehört zur zweiten Kategorie.«
Sie dachte einen Moment darüber nach, dann ging sie zu ihm. Die Muskeln seines Rückens waren angespannt, als sie mit ihren Fingerspitzen darüberstrich.
» Es scheint mir nicht so«, widersprach sie vorsichtig, » als hätte Schweigen bis jetzt geholfen.« Über welche Dinge redete er nicht gern? Über das Böse. » Ist das so eine Harry-Potter-Sache?«
Nun wandte er sich Anna zu. » Eine was?«
» Eine Harry-Potter-Sache«, wiederholte sie. » Du weißt schon: Sprich nicht Voldemorts Namen aus, weil man damit seine Aufmerksamkeit erregt?«
Er dachte darüber nach. » Du meinst die Kinderbücher?«
» Ich muss dich noch dazu bringen, dir die Filme anzuschauen«, sagte sie. » Sie würden dir gefallen. Ja, ich meine die Kinderbücher.«
Charles schüttelte den Kopf. » Nicht ganz. Manchmal werden Dinge realer, wenn man sie bemerkt. Für mich sind sie real. Wenn du sie bemerkst, werden sie vielleicht auch für dich real, und das wäre nicht gut.«
Plötzlich wusste sie es. Charles hatte ihr einmal erklärt, dass er den Namen seiner Mutter nicht aussprach, weil er fürchtete, sie damit an diese Welt zu binden und zu verhindern, dass sie in die nächste Welt übertreten konnte. Er hatte ihr erklärt, dass man Geister betrauern und dann freigeben musste. Wenn man sie an sich band, wurden sie unglücklich und verdorben.
» Geister«, murmelte Anna. Er atmete scharf ein und wich einen Schritt von ihr zurück, in Richtung Fenster.
» Nicht!«, warnte er sie streng. Sie hätte ihn angeschrien, wenn sie sich nicht daran erinnert hätte, dass er sich Sorgen um sie gemacht hatte, als er die Verbindung zwischen ihnen schloss.
» In Ordnung«, lenkte sie stattdessen ein. » Du fühlst dich besser als vor einer Weile, bevor wir hier angekommen sind, richtig?« Wenn es ihm besser ging, dann setzte er sich damit auseinander.
Charles musste darüber nachdenken, bevor er ihr eine Antwort gab. » Ja. Nicht gut, aber besser.«
Sie schlang von hinten ihre Arme um seine Hüften und nahm seinen Duft in sich auf. » Ich werde nicht darüber reden, solange du mir eines versprichst.«
» Und was?«
» Wenn es wieder schlimmer wird, sagst du es mir– und Bran!«
» Das kann ich machen.«
» In Ordnung.« Anna fuhr ihm mit der Hand über den Rücken, als müsste sie Fussel entfernen, obwohl ihre Hände sich in Wirklichkeit nur nach der Wärme seiner Haut verzehrten. » Schlafen oder Frühstück?«, fragte sie dann fröhlich. » Wir haben noch zwei Stunden, bevor das FBI uns abholt und zur Gerichtsmedizin bringt.«
Der kleine, mit einem Tuch abgedeckte Körper auf dem Tisch roch nach verwesendem Fleisch, Salz und Fisch. Doch keinem der Gerüche gelang es, die Witterung von panischer Angst zu überdecken. Anna vermutete aufgrund der Größe der Leiche, dass der Junge vielleicht sieben oder acht Jahre alt gewesen war.
Anna war verwandelt worden, indem man sie sowohl physisch als auch psychisch vergewaltigt hatte. Sie hatte drei Jahre in einem Rudel gedient, das von einer Verrückten geführt wurde. In dieser Zeit hatte sie begonnen, den Tod herbeizusehnen, weil er ihre Qualen beendet hätte. Charles hatte all das geändert– und Anna wusste die Ironie durchaus zu schätzen, dass ausgerechnet der Wolfskiller des Marrok, der wohl gefürchtetste Werwolf der Welt, ihr wieder Sicherheit vermittelt und ihren Lebenswillen zurückgegeben hatte.
Doch auch jenseits dieser Ironie war Anna mit dem Tod vertraut. Die Leichenhalle roch danach, genauso wie nach Desinfektionsmittel, Latexhandschuhen und Körperflüssigkeiten. Als sie den kleinen Obduktionsraum betreten hatten, war noch der Geruch eines kleinen Jungen hinzugekommen–
Weitere Kostenlose Bücher