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Fluch von Scarborough Fair

Fluch von Scarborough Fair

Titel: Fluch von Scarborough Fair Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Werlin
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er plötzlich wusste, dass Lucy dort drin war. Er wusste es einfach.
    Zach riss die Tür auf.
    Lucy stand plattfüßig in ihren roten High Top Sneakers vor einer Reihe von Waschbecken. Das auf dem Hinterkopf gescheitelte und zu zwei Zöpfen geflochtene Haar war zerzaust. In der einen Hand hielt sie ein Bündel nasser Papierhandtücher, und auf der Ablage neben ihr lag noch ein größerer Stapel. Auf den Papiertüchern war… Blut. Und was war das für ein buntes Stück Seidenstoff gleich neben dem Stapel– oh. Oh.
    Als Zach hereinkam, hatte Lucy mit der anderen Hand gerade ihren Rocksaum fallengelassen, der jetzt wieder ihre Waden umspielte.
    Ihre Blicke trafen sich im Spiegel.
    Lucy versuchte zu lächeln, aber ihr Mund verzog sich nur zu einer gespenstischen Grimasse.
    Zach musste daran denken, wie Gray über den Parkplatz gerannt war. Jetzt wusste er sicher, dass es sich um Gray gehandelt hatte. Obwohl er noch nicht ganz begriff, was vorgefallen war– und es im Grunde auch gar nicht wissen wollte–, hatte er plötzlich nur einen Gedanken.
    Ich bringe ihn um.
    » Zach?«, fragte Lucy mit schwacher Stimme. » Kannst du mich bitte nach Hause bringen?«
    Wir müssen ins Krankenhaus, in die Notaufnahme, zur Polizei, schoss es ihm durch den Kopf. Aber dann tat er das einzig Richtige und sagte nur: » Ja.«

Kapitel 15
    Es ist meine Schuld, dachte Zach, weil ich nicht früher dort war.
    Es ist meine Schuld, dachte Soledad, weil ich Lucy überhaupt weggehen ließ.
    Es ist meine Schuld, dachte Leo. Hätte ich bloß auf Soledad gehört und darauf bestanden, den Jungen vorher kennenzulernen. Vielleicht hätte ich irgendwas bemerkt.
    Nur Lucy spielte dieses Spiel der Schuldzuweisungen nicht mit. Sie wurde in den folgenden Tagen von ganz anderen Gedanken gequält. Dabei schwankte sie zwischen Wut, Scham und vor allem großer Verwirrung.
    Was ihre anfängliche Überzeugung betraf, dass nicht Gray über sie hergefallen war, sondern jemand anderer in Gestalt von Gray, so kamen ihr langsam Zweifel. Der praktisch denkenden Lucy fiel es immer schwerer, das zu glauben. Lucy ging davon aus, dass ihr Verstand eine Art Aussetzer gehabt haben musste. Im Schockzustand hatte sie offenbar Dinge gehört und gesehen, die in der Realität gar nicht existierten; zum Beispiel, dass jemand in einer fremden Sprache zu ihr gesprochen und sie Fenella genannt hatte. Lächerlich.
    Was würden ihre Eltern denken, wenn sie es ihnen erzählte? Es gab schon genug Verrückte in ihrer Familie.
    Aber das spielte jetzt sowieso keine Rolle. Die Realität war jetzt das Einzige, was zählte, und dabei ging es nicht nur um Lucy.
    Zur Realität zählte auch die Tatsache, dass Gray Spencer tot war.
    Am Morgen nach dem Abschlussball verbreitete sich die Nachricht in ganz Waltham und sogar in Boston wie ein Lauffeuer, und sowohl die lokalen Fernsehsender als auch die Zeitungen berichteten darüber.
    Tragödie nach dem Ball.
    Letzter Tanz für Teenager aus Waltham.
    Tanzen + Trinken + Autofahren = Tod.
    Einer oder zwei der Jugendlichen, die beim Ball mit Lucy und Gray am Tisch gesessen hatten, erzählten den Reportern, dass Gray überhaupt keinen Alkohol getrunken habe. Allerdings räumten sie ein, dass sie ihn natürlich nicht ständig beobachtet hätten. Wie sich herausstellte, hatte Gray offenbar heimlich getrunken, denn bei der Autopsie wurde bei ihm eine Blutalkoholkonzentration festgestellt, die über dem zulässigen Grenzwert lag.
    Die Medien konzentrierten sich hauptsächlich auf Grays Familie. Seine Mutter gab ihrer Ex-Schwiegermutter, Grays Großmutter, die Schuld. Diese verrückte alte Schrulle mit ihrem ein Jahr zu früh überreichten Geschenk zur Abschlussprüfung, erklärte Mrs Spencer in den Abendnachrichten. Wenn sie nicht bereits von Grays Vater geschieden wäre, würde sie sich jetzt von ihm trennen, meinte sie und brach vor laufender Kamera in Tränen aus.
    Grays Vater ließ vor der Kamera seine eigenen, wenn auch gemäßigteren Schimpftiraden los. Er gab der Highschool die Schuld. Was waren das für Aufsichtspersonen, die es zuließen, dass sich ein Jugendlicher bei einer Schulfeier so volllaufen ließ, dass er keine drei Minuten nach Verlassen des Hotels mit seinem Wagen gegen einen Baum prallte? Hatten die Erwachsenen überhaupt bemerkt, dass die Jugendlichen Alkohol tranken? Es sei ein Skandal, erklärte Mr Spencer, und alle Eltern in Waltham sollten dagegen Sturm laufen. Er werde die Stadt deswegen verklagen und habe bereits einen Anwalt

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