Fluch von Scarborough Fair
du vielleicht– es gibt so vieles, was ich nicht weiß, über Sex… wie Männer sind, wenn…« Sie bewegte unsicher die Schultern. » Als Gray…«
Plötzlich ergriff sie Zachs Hand. Er war erstaunt, wie erleichtert er auf einmal war– sie war bereit, ihn zu berühren. Allerdings war er sich auch bewusst, dass seine Hand vom Eis ganz klebrig war.
Zach hielt Lucys Hand so behutsam, als wäre sie aus Glas.
» Ich muss das einfach jemandem erzählen, Zach«, fuhr Lucy fort. » Es ist so was wie ein Geheimnis. Ich meine, ich hab es noch niemandem erzählt. Ich weiß, es war nur Einbildung, nicht real. Aber es kommt mir real vor, obwohl ich es besser weiß. Ich möchte es dir erzählen, nur dir und niemand sonst. Ich bin sicher, du wirst mir ganz ruhig zuhören und mich nicht gleich für verrückt halten oder eine große Sache daraus machen wie meine Eltern. Und dann ist es gesagt, erledigt und ich kann es abhaken.«
Sie umklammerte jetzt seine Hand.
» Was ist es, Luce?«
» Kann ich dir vertrauen? Und du wirst mich nicht für verrückt halten? Versprochen?«
» Versprochen.«
Lucy holte tief Luft, und dann sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus. » Okay. Also, ich sah Gray direkt ins Gesicht, nachdem er– na ja, du weißt schon–, und es war wie in einem Horrorfilm. Es kam mir so vor, als habe jemand anders von seinem Körper Besitz ergriffen. Jemand anders sah mich mit seinen Augen an. Und er sagte ein paar Dinge, die ich nicht verstand, wie in einer mir fremden Sprache. Ach ja, und er nannte mich Fenella.«
Lucy zog die Schultern hoch. » Das war dann doch zu viel. Vielleicht spielte ja in dem Moment mein Verstand verrückt, weil ich unter Schock stand oder weil ich es einfach nicht glauben wollte. Oder vielleicht–« Lucy errötete leicht. » Ich hatte auch die wirre Theorie, dass Männer sich nach dem Sex vielleicht kurzzeitig in jemand anders verwandeln. Manchmal.«
» Ah.« Zach, der die ganze Zeit zugehört hatte, ohne zu wissen, was er davon halten, geschweige denn, was er dazu sagen sollte, begriff plötzlich. » Deshalb hast du mich gefragt, ob ich noch Jungfrau bin. Du dachtest, ich hätte mich vielleicht im, äh, Rausch der Lust schon mal in jemand anders verwandelt und würde dir jetzt alles darüber erzählen können?«
Lucy kicherte nervös, und Zach war froh über diese Reaktion.
» Ich weiß, ich weiß«, sagte sie. » Das ist blöd. Es war nur so eine Idee. Wahrscheinlich musste ich es erst laut aussprechen, um zu begreifen, wie dumm es ist.«
» Weißt du was? Wenn ich das erste Mal Sex hatte, ruf ich dich hinterher gleich an und sag dir, ob ich mich dabei ertappt habe, wie ich etwas auf Lateinisch deklamierte.«
» Okay, mach das.«
» Abgemacht.« Zach hielt kurz inne und sagte dann vorsichtig: » Aber im Ernst, Lucy. Ich denke, Männer bleiben, wer sie sind. Trottel bleiben Trottel, und nette Jungs bleiben nette Jungs.« Er hielt noch immer Lucys Hand. Sie sah ihn jetzt zwar nicht an, ließ aber immerhin seine Hand nicht los.
» Ich hab die ganze Zeit nach einer vernünftigen Erklärung gesucht«, sagte sie steif.
Zach nickte. Er tastete sich noch etwas vor. » Okay, Luce. Ich verstehe, dass du nicht wahrhaben wolltest, dass dir das mit einem Jungen passiert ist, den du kanntest und mochtest. Aber in Wahrheit hast du ihn gar nicht richtig gekannt. Er war schon die ganze Zeit über jemand anders. Jemand, der– zu so was fähig war.«
» Ja«, sagte Lucy. » Das ergibt einen Sinn.«
Zach war beruhigt, wie kräftig und besonnen ihre Stimme klang.
» Mit dieser Erklärung bin ich zufrieden«, meinte Lucy, und obwohl in ihren Worten noch ein leiser Zweifel mitschwang, wollte Zach davon nichts wissen. » So, das wäre also erledigt. Nun, da ich es dir gesagt habe, fühle ich mich erleichtert. Trotzdem ist es immer noch ein Geheimnis, und niemand wird mich für verrückt halten.«
» Nein, niemand.«
Beide schwiegen.
» Danke«, sagte Zach schließlich ganz förmlich. » Danke, dass du mich ausgesucht hast und dass du mir vertraust. Und, Luce?«
» Ja?«
» Selbst wenn du die verrücktesten Halluzinationen hättest, würde ich nach der Ursache suchen, denn ich wüsste, dass sie nicht unbegründet sind.«
» Wirklich?«
» Ja.« Zachs Stimme klang überzeugt.
Lucy wandte sich wieder Zach zu. Bildete er sich das nur ein, oder war ihr Gesichtsausdruck jetzt wirklich irgendwie entspannter?
» Es macht keinen Unterschied«, sagte sie bedächtig, » ob ich vor lauter
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