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Fluch von Scarborough Fair

Fluch von Scarborough Fair

Titel: Fluch von Scarborough Fair Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Werlin
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Pierre legte sich draußen wartend vor die Tür. Lucy hielt einen noch in eine Plastiktüte der Apotheke eingewickelten Schwangerschaftstest in der Hand.
    Sie hatte sich den Test schon vor drei Tagen heimlich besorgt, aber es hatte eine Weile gedauert, bis sie den Mut fand, ihn anzuwenden. Außerdem hatte sie die Gebrauchsanweisung gelesen, und ihr war klar, dass das Ergebnis wahrscheinlich nur dann eindeutig ausfiel, wenn sie noch wartete. Wenn sich der Hormonspiegel erhöhte, konnten die Werte mithilfe des Tests leichter ermittelt werden.
    Aber jetzt hatte sie lange genug gewartet. Seit etwas mehr als zwei Wochen hatte sie berechtigten Grund zu der Annahme, dass sie schwanger war, mal abgesehen von der Übelkeit, die sie schon länger quälte.
    Lucy las die Gebrauchsanweisung nun schon zum sechsten Mal.
    Dann führte sie mit auffallend ruhiger Hand den Test durch, und das Ergebnis bestätigte ihr, was sie tief in ihrem Inneren bereits wusste. Vor fünf Wochen war sie von Gray Spencer vergewaltigt worden. Er war tot, und sie war jetzt mit siebzehn schwanger.
    Auf einmal geriet Lucy in Panik. Nicht wegen der Schwangerschaft, sondern aus Angst, Zach könnte plötzlich an die Badezimmertür klopfen. Eilig packte sie die Schachtel, die Gebrauchsanweisung und den Teststreifen zusammen und huschte zurück in ihr Schlafzimmer. Pierre wurde erneut ausgesperrt und trauerte.
    Lucy wusste, dass ihr Verhalten lächerlich war. Sie würde ihren Zustand nicht lange verheimlichen können. Aber das wollte sie auch gar nicht. Sie musste es erzählen. Sie würde Hilfe brauchen. Oh Gott, ja.
    Lucy ging nervös im Zimmer auf und ab. Dann blieb sie stehen, warf einen kurzen Blick auf den Teststreifen und lief wieder hin und her. Sie wollte bis um sieben warten. Wenn Soledad dann noch nicht wach war, würde sie sie wecken.
    Schließlich wurde ihr klar, dass sie nicht warten konnte. Sie konnte unmöglich bis sieben Uhr allein bleiben. Mehr als alles andere auf der Welt brauchte sie jetzt ihre Mutter.
    Gerade als Lucy aus dem Zimmer gehen wollte, fiel ihr Blick auf Mirandas Tagebuch auf ihrem Nachttisch, das jetzt schon seit vielen Tagen unberührt dort lag. Sie hatte es nicht ertragen können, es noch mal zu lesen. Aber als sie es jetzt da liegen sah, kam sie ins Grübeln: Miranda hat Soledad auch gebraucht, als sie in meinem Alter war. Sie war achtzehn. Und das werde ich in diesem Jahr auch. Sie brauchte sie genauso wie ich, und aus demselben Grund: Sie war schwanger und sie hatte Angst.
    Welch seltsamer Zufall.

Kapitel 24
    Im folgenden Monat herrschte in Boston und Umgebung schon seit Tagen eine drückende Hitze. Lucy und Sarah Hebert waren mit einem Dutzend Kindern im Park und zeigten ihnen, wie man aus Bändern Kordeln flocht. Dabei ermunterten sie die Kinder ständig, wegen der Hitze viel Wasser zu trinken. Aber die Kids, von denen keines älter als neun war, waren schon den ganzen Morgen über lustlos, weinerlich und stur. Einmal weigerten sich mehrere von ihnen, das in Flaschen abgefüllte Wasser zu trinken, und die herrschsüchtige kleine Rachel Sanderson rief mit ihnen im Chor: » Orangenlimo! Orangenlimo!«
    Nachdem Lucy mit einiger Mühe den Aufstand beendet hatte, war Rachel für ungefähr fünf Minuten still. Dann fingen sie und ihre Freundin Keri Baldacci an, sich über einen der kleineren Jungen lustig zu machen.
    » Okay, das reicht«, murmelte Sarah in Lucys Ohr. » Die braucht jetzt erst mal eine Abkühlung. Ich weiß auch schon wie.« Sarah sprang mit der Wasserflasche in der Hand auf, machte vier Schritte auf Rachel zu und bespritzte deren nackte Beine. Kurz darauf lieferten sich Sarah und die Kinder eine richtiggehende Wasserschlacht und hatten viel Spaß dabei.
    Im Nachhinein musste Lucy zugeben, dass Sarah recht gehabt hatte: Die Wasserschlacht hatte die Spannungen abgebaut, und die Kinder waren wieder gut gelaunt. Aber in diesem Moment spürte Lucy nichts weiter als eine plötzlich aufschäumende Wut, die sich dringend entladen musste. Wen sie traf, spielte dabei keine Rolle.
    » Hör auf! Vergeude nicht das Wasser! In manchen Gegenden haben die Menschen nicht mal genug Trinkwasser!«
    Vor lauter Geschrei hörte sie keiner, und dann war Lucy auf einmal mitten im Getümmel und rannte hinter Sarah her. Sie stürzte sich auf sie, entriss ihr die Wasserflasche und schrie sie an: » Hör auf, Sarah! Hör sofort auf!«
    Als Lucy auf dem Boden liegend aufblickte, waren sie von zwölf Kindern umringt, die sie mit offenem

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