Fluch von Scarborough Fair
Mund anstarrten.
Die Kids hatten Lucy noch nie schreien gehört oder erlebt, dass sie die Beherrschung verlor. Und es war ziemlich außergewöhnlich, mit anzusehen, wie eine Betreuerin auf die andere losging. Sogar Rachel Sanderson war erschrocken. Aber schließlich stemmte sie die Hände in die Hüften und meinte: » Miss Lucy, Sie brauchen eine Auszeit.«
Alle Kinder sahen jetzt auf sie herab. Sarah blickte erstaunt um sich. Lucy hatte mit der rechten Hand Sarahs Handgelenk gepackt.
Lucy stand auf und wischte sich den Schmutz von den Knien. » Danke, Rachel«, sagte sie förmlich. » Das ist eine gute Idee. Ich mache jetzt eine Pause.« Lucy begab sich zu dem festgelegten Pausenbereich am anderen Ende des Parks und setzte sich an den Campingtisch unter der Weide. Dort aßen sie und Sarah immer zu Mittag, nachdem die Kids nach Hause gegangen waren.
Lucy blieb dort sitzen, den Kopf auf die Arme gestützt, bis die Kinder fort waren und Sarah mit gefährlich vorgestrecktem Kinn auf sie lospreschte. » Was ist los mit dir, Lucy? Du hast mir wehgetan! Hast du den Verstand verloren? Weißt du, dass du dich wie eine Verrückte aufgeführt hast?«
Lucy zuckte zusammen. Plötzlich hatte sie Mitleid mit Miranda, die wegen Lucys Geburt den Verstand verloren hatte. Und jetzt war Lucy selbst schwanger und verlor die Beherrschung. War es möglich, dass sie…
Nein. Bei ihr würde es nicht so weit kommen. Ihr ging es gut. Abgesehen von der Schwangerschaft.
Ruhig und mit Bedacht entschuldigte sie sich. » Es tut mir leid, Sarah. Es gibt eine Erklärung für mein Verhalten. Aber sag mir zuerst, wie es deinem Handgelenk geht.«
Sarahs Gesicht hellte sich auf. » Oh, keine Sorge.« Sie ließ sich auf einen Stuhl gegenüber von Lucy fallen. » Es ist wegen Gray, stimmt’s? Du hast ihn den ganzen Sommer über kein einziges Mal erwähnt, und ich hab dich damit in Ruhe gelassen, weil ich mich nicht einmischen wollte. Aber ich weiß, wie schwer es für dich sein muss.«
Lucy schlang auf ihrem Schoß die Finger ineinander. Jeden Tag hatte sie an all das gedacht, was sie ihrer Freundin nicht erzählt hatte. Und jeden Tag hatte sie weiter geschwiegen. Sie hatte gewusst, dass sie Sarah eines Tages alles erzählen musste. Spätestens dann, wenn das Baby in ihrem Bauch heranwuchs. Sarah war ihre beste Freundin und sie hatte sie gern. Aber irgendwie hatte sie bisher noch nicht den richtigen Zeitpunkt erwischt.
Auch jetzt schien nicht der geeignete Zeitpunkt zu sein, aber trotzdem musste sie es tun. Lucy holte tief Luft.
Sarah hatte die ganze Zeit geredet, während sie aus den Rucksäcken Sandwiches, Servietten, Obst und zwei Wasserflaschen hervorholte. » Ich weiß, du hast Gray wirklich gemocht. Vielleicht mehr als dir damals bewusst war. Und genau deshalb solltest du endlich darüber reden, Lucy. Sonst explodierst du, wie gerade eben.« Sarah meinte es ernst. » Und was ist, wenn du in Gegenwart anderer einen Wutanfall bekommst? Es ist egal, was du zu mir sagst. Ich versteh das schon. Aber was ist, wenn du deine Wut an einem Lehrer auslässt? Oder an jemandem, der dir eine Empfehlung fürs College ausstellen soll?«
» Ich weiß«, sagte Lucy. » Du hast recht.«
Sarah lehnte sich vertraulich nach vorn. » Und was den Vorfall heute Morgen betrifft. Ich glaube nicht, dass die Kinder dich verraten werden. Ich hab kurz mit ihnen gesprochen. Es hat ihnen gefallen, dass du eine Auszeit genommen hast. Rachel ist herumstolziert, weil die Idee von ihr stammte.«
Sarah hielt Lucy ein Käse-Sandwich hin.
In den letzten Wochen hatte Lucy nicht mal den Geruch von Käse ertragen, aber seit gestern war sie ganz verrückt danach. Sie verdrückte zwei Sandwiches und eine Orange und trank eine ganze Flasche Wasser, während Sarah immer weiterredete. Sie stellte sich vor, wie Lucy sich fühlen musste, wie sie reagierte und so weiter.
Ich werde es ihr sagen, dachte Lucy. Jetzt gleich.
Sarahs Blicke verrieten zwar, dass sie darauf wartete, aber sie hörte dennoch nicht auf zu reden und ließ Lucy nicht zu Wort kommen.
Schließlich musste Lucy sie einfach unterbrechen. » Sarah. Sarah, hör zu. Ich bin schwanger. Meine Ärztin sagt, ich sei in der elften Woche.«
Sarah war eine ganze Weile sprachlos. Dann bewegten sich ihre Lippen. » Gray?«
Lucy nickte. » Aber es ist nicht so, wie du denkst.«
Sarah starrte sie immer noch an. » Ich weiß nicht, was ich denken soll«, sagte sie schließlich. » Ich hatte ja keine Ahnung von dir und Gray.
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