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Fluch von Scarborough Fair

Fluch von Scarborough Fair

Titel: Fluch von Scarborough Fair Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Werlin
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bin zu Hause. Warum?«
    » Ich hab mich gefragt, ob wir nicht mal wieder etwas zusammen singen könnten.«
    Leo lächelte. » Worauf hast du denn Lust?«
    » Auf Folksongs«, erwiderte Lucy prompt. Sie zögerte. » Ich musste den ganzen Tag an › Scarborough Fair ‹ denken. Ich weiß nicht warum, aber es geht mir einfach nicht aus dem Kopf.« Bei dieser Lüge zog sie den Kopf ein.
    Wie zu erwarten hatte Leo bereits nach seiner Gitarre gegriffen und sich damit auf einen Stuhl gesetzt. » Möchtest du Mirandas Version oder die von Simon and Garfunkel? Oder eine ganz andere? He, wir könnten auch eine Mixed Version singen.« Für Leo hatte das Lied offenbar nie eine so große Bedeutung gehabt wie für Lucy. Weder er noch Soledad ahnten, dass es für Lucy die reinste Qual war, das Lied zu hören, es zu singen– eine Qual, die Lucy manchmal geradezu suchte, so wie jetzt.
    » Mirandas«, sagte Lucy.
    Leo nickte. Er schlug die ersten Akkorde an, und dann sang er mit seiner sanften, angenehmen Tenorstimme:
    Gehst du zum Markt nach Scarborough?
    Petersilie, Salbei, Thymian und Rosmarein.
    Grüß mir eine, die dort wohnt.
    Sie soll meine wahre Liebe sein.
    Bei der nächsten Strophe stimmte Lucy mit ein und übernahm mit ihrer lieblichen Sopranstimme die Melodie, während Leo die zweite Stimme sang.
    Sag ihr, sie wird auf Gänsedaunen ruhn.
    Petersilie, Salbei, Thymian und Rosmarein.
    Ich schwöre, ich werde ihr nichts zuleide tun.
    Sie soll meine wahre Liebe sein.
    Die nächste Strophe sangen alle zusammen. Soledad stimmte mit ihrer wunderschönen Altstimme mit Lucy in die Melodie ein.
    Morgen erwarte ich Antwort von ihr.
    Petersilie, Salbei, Thymian und Rosmarein.
    Was sie auch sagt, sie hat keine Ruhe vor mir.
    Sie soll meine wahre Liebe sein.
    Obwohl Lucy beim Klang der Musik stets eine gewisse Qual und Verwirrung empfand, war ihr das gemeinsame Singen mit den Pflegeeltern ein Bedürfnis, und sie fühlte sich anschließend immer gleich besser.
    In gewisser Weise war das Lied das einzige Geschenk, das Miranda ihrer Tochter aus der Zeit hinterlassen hatte, bevor sie völlig verrückt wurde, und sie hatte es indirekt über Leo hinterlassen.
    Als Miranda im achten Monat mit Lucy schwanger war, hatte sie eines Tages Leo die Ballade in der Version von Simon and Garfunkel singen hören. Daraufhin hatte sie Leo eine andere Version vorgesungen, die ihn faszinierte, weil er sie noch nie zuvor gehört hatte und sie in keinem Buch und auch nicht im Internet finden konnte. Miranda hatte ihm erklärt, die Version stamme von ihrer Mutter– und ihre Tochter solle das Lied später ebenfalls lernen. Das war das einzige Mal, dass Miranda ihre Familie erwähnt hatte.
    Seitdem hatte Leo auch andere Folksänger nach dieser Version des Liedes gefragt, aber keiner kannte sie. Er hatte Lucy das Lied beigebracht und ihr erzählt, woher es stammte und dass er es als Geschenk betrachte. » Musik verbindet uns Menschen, verbindet die Herzen«, hatte er erklärt. » Über Zeit und Raum, über Leben und Tod hinaus.«
    Obwohl Miranda das Lied bisher jedes Mal gesungen hatte, wenn sie aufgetaucht war– sie hatte es ihnen fast trotzig entgegengeschleudert–, war Lucy nicht sicher, ob sie den ganzen Text kannte. Denn vielleicht war Miranda ja schon im Begriff gewesen, ihren Verstand zu verlieren, als sie Leo die Ballade beigebracht hatte. Lucy hätte Miranda dann vermutlich nicht so geduldig zugehört wie Leo. Wahrscheinlich hätte sie sich die Ohren zugehalten.
    Als das Lied zu Ende war, herrschte eine Weile Stille. Dann sagte Lucy: » Danke, Leo.«
    » Wir können nach dem Abendessen noch was anderes singen«, schlug Leo vor. » Ist es euch recht, wenn wir etwas beim Chinesen bestellen?«
    » Wenn ich das Essen aussuchen darf«, meinte Soledad.
    » Kein Problem.«
    Während Soledad telefonisch das Essen bestellte, erzählte Leo mehr über Zachs Pläne für den Sommer. » Er hat einen Job auf dem Bau bekommen, bei einer Bostoner Immobilienfirma, und deshalb wird er wieder bei uns wohnen.«
    » Auf dem Bau?«, fragte Lucy ungläubig. » Zach Greenfield?«
    » Ja, auf dem Bau«, bestätigte Leo. » Er klang sehr zufrieden. Anscheinend handelt es sich um eine kleine Firma, die alte heruntergekommene Häuser aufkauft und sanieren lässt, um sie anschließend wieder zu verkaufen. Zach sagte, er wollte schon immer mal lernen, mit einer Fräse und einer Bandsäge zu arbeiten.«
    Soledad kam wieder ins Wohnzimmer und zog Lucy an ihrem Pferdeschwanz. »

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