Flucht aus der Zukunft
Wasseroberfläche wanden, erschienen im sterbenden Licht des Tages plötzlich ganz anders. Lanoy atmete tief ein und sah nach Westen.
»Es ist herrlich«, sagte er schließlich. »Ich konnte dieses Gebiet nie verlassen, Untersekretär Brogg. Ich sehe selbst in der Häßlichkeit das Schöne. Werfen Sie doch einen Blick auf den See. Haben Sie schon einmal so etwas erlebt? Ich stehe jeden Abend ehrfürchtig hier draußen.«
»Bemerkenswert.«
»Ja. In diesem Schlamm steckt Poesie. Sie müssen wissen, daß er fast keinen Sauerstoff mehr enthält. Das organische Leben ist abgewandert, nur die primitiven Formen haben sich erhalten. Ich stelle mir vor, daß die Schlammwürmer bei Sonnenuntergang zu tanzen beginnen. Sie schaukeln durch das Ried. Sehen Sie nur das Farbenspiel an dem großen Algenfleck da drüben. Unsere Algen werden so lang wie Meerestang. Mögen Sie eigentlich Poesie?«
»Ich liebe die Geschichte.«
»Welche Epoche?«
»Die römische. Das frühe Imperium. Tiberius bis Trajan. Trajans Zeit war das wahre goldene Zeitalter.«
»Die Republik interessiert Sie nicht?« fragte Lanoy. »Die tapferen Erneuerer? Cato? Lucius Junius Brutus? Die Gracchen?«
Brogg war erstaunt. »Sie wissen über solche Dinge Bescheid?«
»Ich mußte meine Netze weit ausspannen«, sagte Lanoy. »Wie Sie wissen, ist der Handel mit der Vergangenheit mein tägliches Brot. Ich habe eine gewisse Vertrautheit mit der Geschichte gewonnen. Trajan, hm? Sie würden wohl gern Rom besuchen? Das Rom der Trajan-Epoche?«
»Natürlich«, sagte Brogg heiser.
»Oder Hadrian? Immer noch ein goldenes Zeitalter. Wenn Trajan sich nicht machen ließe, würden Sie sich mit Hadrian zufriedengeben? Sagen wir, eine Toleranz von einer Generation. Trajan könnten wir verfehlen, aber in diesem Fall würden wir bestimmt irgendwo in der Hadrian-Ära landen. Am besten stecken wir das Ziel so, daß wir uns das Ende der Trajan-Epoche vornehmen. Dann ist die Toleranz nach der anderen Richtung nicht so groß. Denn das würde Ihnen nicht gefallen, was? Sie würden bei Titus, Domitian oder einem von dieser Bande herauskommen. Wahrscheinlich nicht nach Ihrem Geschmack.«
Broggs Stimme war rauh und brüchig geworden.
»Wovon sprechen Sie eigentlich?«
»Sie wissen es recht gut.«
Die Sonne war untergegangen. Der zauberhafte Glanz verschwand vom Wasserspiegel. »Sollen wir hineingehen?« fragte Lanoy. »Ich zeige Ihnen einen Teil der Maschinen.«
Brogg ließ sich nach drinnen führen. Er überragte Lanoy bei weitem. Lanoy war nicht größer als Koll, und er hatte etwas von Kolls nervöser, innerer Energie. Aber während Koll vor Haß und Mißgunst überzusprudeln schien, war Lanoy ruhig und zuversichtlich.
Lanoy öffnete eine Tür in der Wand, die das Gebäude abteilte. Brogg warf einen Blick hindurch. Er sah senkrechte Stangen aus einem glänzenden Metall, einen Drahtmaschenkäfig, Zählwerke, Schalter, eine Anordnung von Rheostaten. Ganze Reihen von farbigen Schalttafeln zeigten komplizierte Datenanordnungen. Man hatte den Eindruck, als sei alles willkürlich so zusammengestellt worden.
»Das ist die Zeitmaschine?« fragte Brogg.
»Ein Teil davon. Es gibt Ergänzungsstücke davon in Zeit und Raum. Ich will Sie nicht mit Einzelheiten belästigen. Aber das Prinzip ist einfach. Eine plötzliche Belastung der Kontinuum-Schicht. Wir stoßen Material aus der Jetzt-Zeit hinein und entfernen eine ebenso große Masse aus der Vergangenheit. Sie verstehen, Erhaltung von Masse und Energie. Wenn unsere Kalkulationen um ein paar Gramm danebengehen, entstehen Störungen. Manchmal ist das natürlich unvermeidlich. Wir zapfen übrigens die Thetakraft an. Sobald jemand ein Stati-Feld benutzt, wird ein Zeitpotential aufgebaut, das wir uns zunutze machen. Dennoch ist der Vorgang ziemlich kostspielig.«
»Was verlangen Sie für eine Reise?«
»Im allgemeinen zweihundert Credits. Das heißt, wir nehmen nicht immer Geld an.«
»Sie schicken Leute auch kostenlos durch?« fragte Brogg.
»Das nicht. Ich wollte nur sagen, daß wir von gewissen Leuten kein Geld annehmen. Wir bestehen auf anderen Zahlungsmitteln – Dienstleistungen, Informationen, Dinge dieser Art. Wenn sie nicht gewillt sind, uns zu helfen, befördern wir sie nicht. Diesen Leuten hilft keine noch so große Summe.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Sie werden es noch verstehen«, sagte Lanoy. Er schloß die Tür und kehrte in den vorderen Teil der Hütte zurück. Nachdem er sich bequem in seiner Hängematte
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