Flucht aus der Zukunft
fort.«
»Fort«, bestätigte Quellen. »Er ließ sich ins Jahr 2050 zurückschicken. Lanoy war nicht sicher, daß er genau das gewünschte Jahr treffen würde, aber er schien doch ziemlich zuversichtlich. Helaine, ich muß dir sagen, daß Norm bis zur letzten Sekunde nur an dich dachte. Du kannst selbst die Bänder abhören. Er sagte, daß er dich und die Kinder liebt. Er versuchte eine Regelung zu treffen, damit ihr ihm in die Vergangenheit folgen könntet. Lanoy versprach es ihm. Es ist alles aufgezeichnet.«
»Fort. Er hat einfach den Sprung gemacht.«
»Er war in einer entsetzlichen Verfassung, Helaine. Was er heute morgen alles sagte – er war praktisch verrückt.«
»Ich weiß. Es ging schon seit Tagen so. Ich versuchte, ihn zu einem Therapeuten zu schicken, aber ...«
»Kann ich irgend etwas für dich tun, Helaine? Möchtest du, daß ich zu dir herauskomme und bei dir bleibe?«
»Nein.«
»Ich kann auch jemanden vom Fürsorge-Dienst vorbeischicken.«
»Gib dir keine Mühe.«
»Helaine, du mußt mir glauben, daß ich alles tat, was in meiner Macht stand, um das zu verhindern. Und wenn du zu Norm in die Vergangenheit möchtest, werde ich dafür sorgen, daß du die Möglichkeit bekommst. Das heißt, wenn die Hohe Regierung weitere Reisen zuläßt, jetzt, da wir Lanoy verhaftet haben.«
»Ich muß es mir überlegen«, sagte Helaine ruhig. »Ich weiß noch nicht, was ich tun werde. Laß mich jetzt allein. Auf alle Fälle vielen Dank für alles, Joe.«
Sie verdunkelte den Schirm und schaltete das Gerät aus. Jetzt, da das Schlimmste sich verwirklicht hatte, war Helaine merkwürdig ruhig. Sie würde nicht in die Vergangenheit gehen, um ihrem Mann nachzujagen. Sie war die Witwe Pomrath – verraten, im Stich gelassen.
»Mammi, wo ist denn Dad?« fragte Joseph.
»Er ist weggegangen, Junge.«
»Wird er bald wiederkommen?«
»Ich glaube nicht«, sagte Helaine.
Marina sah auf. »Heißt das, daß Daddy tot ist?«
»Nicht ganz«, erklärte Helaine. »Es ist zu kompliziert. Ich werde es euch später erklären. Und jetzt macht eure Hausaufgaben, Kinder. Es wird fast Zeit zum Schlafengehen.«
Sie ging an die Schublade, in der sie die Alkoholröhrchen aufbewahrten. Mit einem schnellen Griff holte sie eines heraus, preßte die Spitze gegen ihre Haut und nahm eine starke Einspritzung. Anschließend war sie weder angeregt noch deprimiert. Sie war einfach starr. Ohne Gefühle.
Die Witwe Pomrath. Beth Wisnack wird es gern hören. Sie kann es nicht ertragen, daß andere Frauen noch einen Mann haben.
Sie schloß die Augen und stellte sich vor, wie Norm im Jahre 2050 landete. Er war ein Fremder und ganz allein. Aber sie wußte, daß er es schaffen würde. Er hatte seine medizinische Ausbildung. In der primitiven Vergangenheit konnte er bestimmt als Arzt ein Auskommen finden. Vielleicht gelang es ihm sogar, seine Herkunft zu verbergen. Schließlich hatte sich sein Name nicht unter den Registrierten befunden.
Er würde reich und erfolgreich sein. Patienten würden ihm zuströmen, besonders die Frauen. Er würde nicht mehr so verzweifelt und hager aussehen, sondern Tüchtigkeit und Optimismus ausstrahlen. Helaine fragte sich, was für eine Frau er heiraten würde. Geheiratet hatte. Es war alles vorbei. Das war das Unheimliche daran. Norm hatte bereits gelebt. Er war bereits gestorben, etwa im Jahre 2100, und sein Körper war vor Jahrhunderten zu Staub zerfallen, zusammen mit dem Körper seiner zweiten Frau und seiner anderen Kinder. Vielleicht bildeten die Abkommen seiner Familie heute einen starken Stamm. Vielleicht gehöre ich selbst zu ihnen, dachte Helaine. Und das Buch war geschlossen. Sein Geschick war Jahrhunderte vor ihrer Heirat hineingeschrieben worden. Und schon damals stand fest, daß er sie verlassen und zurück in die Vergangenheit gehen würde. Bevor er geboren war.
Helaines Gedanken verwirrten sich. Sie nahm ein zweites Alkoholröhrchen. Es half nicht sehr viel. Die Kinder saßen mit dem Rücken zu ihr da, in ihre Hausarbeiten-Maschine geschnallt. Sie taten so, als lernten sie eifrig.
Ich bin verloren, dachte sie.
Ich bin ein Nichts.
Ich bin die Witwe Pomrath.
Mit dem dritten Röhrchen kam ihr ein neuer Gedanke. Ich bin noch ziemlich jung. Wenn ich mich ein paar Monate entspannen kann, sehe ich wieder anziehend aus. Joe kann sich um die Formalitäten kümmern. Es muß eine besondere Regierungspension für die verlassenen Frauen von Zeitreisenden geben. Ich werde ausgehen, mich erholen, wieder
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