Flucht aus Katmandu
unserem Bungalow und legte mich flach.
Ich weiß nicht, wieviel später Freds mich weckte, indem er mich aus dem Bett zu Boden rollte. Irgendwann mitten in der Nacht; ich war immer noch betrunken, so sehr, daß ich mich nicht erinnerte, wo ich war. Doch als Freds »Na, komm' schon, George, ich brauche deine Hilfe!« sagte, hatte ich noch genug Grips beisammen, um »Nein!« zu rufen und zu versuchen, unter das Bett zu kriechen.
Doch Freds zerrte mich wieder hervor. Leider hatte ich mich mit meinen Kleidern schlafen gelegt, und er rammte meine Füße in die Stiefel. »Komm schon«, sagte er mit einem aufgeregten Flüstern. »Du sollst nur eine Stunde oder so auf Sunyash aufpassen, während Dawa und ich uns in dieser Höhle umsehen, die wir gefunden haben.«
»Sunyash?«
»Du weißt schon, der größte Elefant.«
3
Ich wußte nichts von dem größten Elefanten. Doch als Freds mich zu dem Aufsitz-Podest schleppte, erkannte ich ihn – oder besser sie, denn es war eine Kuh. Ich hatte mehrere Stunden auf ihrem Rücken verbracht und war ziemlich vertraut mit ihr geworden – mit der lockeren, faltigen grauen Haut, die beim Laufen über ihre massiven Schultern vor- und zurückglitt, und mit den rosa Flecken auf ihrem Nacken und dem einen Dutzend Haarbüscheln auf ihrem Kopf. Ein beeindruckendes Tier, und ihr Führer Dawa hatte es gut im Griff. Er saß bereits auf ihrem Hals und hatte die nackten Füße unter den Spitzen ihrer Ohren verhakt. Elefantenführer leiten ihre Schutzbefohlenen mit einem Eisenstab, der wie ein Kaminschürhaken aussieht, nur, daß er an dem Ende, auf das es ankommt, schärfer ist. Viele Führer im Lager setzten ihre Eisen rücksichtlos ein, schlugen die Elefanten auf die rechte oder linke Kopfseite, damit sie die Richtung änderten, und stachen sie mit dem spitzen Ende, damit sie weitergingen, wenn sie zögerten; bei einigen Führern war auf jeder Wanderung Blut zu sehen. Ein paar waren jedoch sanfter, und zu denen gehörte Dawa; er führte Sunyash, indem er mit ihr sprach oder sie im äußersten Fall leicht mit den Fersen trat. Ich hatte nie gesehen, daß er seinen Stab einsetzte.
Nun unterhielten er und Freds sich auf Tibetanisch, und plötzlich konnte ich selbst in der Dunkelheit erkennen, daß er auch wie ein Tibetaner aussah; er sah aus wie die Khampas von Shambhala. Plötzlich kam mir wieder in den Sinn, daß Freds etwas davon gesagt hatte, eine Höhle zu erkunden.
»Freds«, sagte ich, als wir davon trotteten. Obwohl ich schnell nüchtern wurde, mußte ich mich am Geländer der Plattform festhalten; die sattelwunden Beine hatte ich um einen Eckpfosten geschlungen. »Was tust du mir diesmal an?«
»Nichts, George. Nur ein Ritt. Außerdem … wann habe ich dir jemals etwas angetan?«
Ich wollte ihn schlagen, hatte aber keine Hand frei. »Du hast mich auf der Südseite des Everest eine Nacht lang in eine Schneehöhle gesteckt«, sagte ich wütend. »Du hast mich einen Monat lang durch die Bürokratie von Katmandu kriechen lassen! Du hast mich als Brücke benutzt.«
»Nicht absichtlich. Außerdem wird es diese Nacht ganz anders sein.«
»Sag mir, was du vorhast, oder ich springe sofort von Bord.«
»Nun überstürze nichts, ich wollte es dir gerade erzählen, sobald wir ein gutes Stück vom Lager fort sind.«
»Also raus damit. Was hat es mit dieser Höhle auf sich?«
»Nun ja, du erinnerst dich doch noch an das Tunnelsystem, das wir bei unserem Überfall auf Chhule benutzt haben? Das ist ein großes Tunnelsystem, größer, als man erwarten könnte, und ein Großteil davon liegt unter Katmandu selbst, doch bei all den Bauvorhaben in letzter Zeit sind die meisten Eingänge zugebaut oder versperrt worden. Das bereitet den Leuten in Shambhala Probleme, weil sie die Tunnels für den Gütertransport benutzen, und um ungesehen nach Katmandu zu kommen …«
»Augenblick mal«, sagte ich und fühlte, wie die Kamikaze- Drinks in mir hin und her schwappten, was eine gewisse Übelkeit hervorrief. »Willst du damit sagen, daß Tunnels von Shambhala bis nach Katmandu führen?«
»Aber ja! Es gibt überall unter dem Himalaja Tunnels. Und ein großes Netzwerk unter Katmandu.«
Ich versuchte, das zu verkraften.
»Aber jetzt haben sie ein Problem. Alle Gänge nach Katmandu sind unterbrochen«, sagte Freds, »und sie wollen nun eine alte Öffnung hier im Terai benutzen. Die geriet in den letzten paar Jahrhunderten ziemlich in Vergessenheit, und Dawa und ich haben uns ein bißchen nach ihr
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