Flucht aus Katmandu
Elefantenritt!« Und alle stöhnten laut auf und beschwerten sich über Nierenverletzungen oder darüber, daß ihre Versicherungen nicht für chiropraktische Schäden aufkamen, und die meisten weigerten sich und verbrachten den Nachmittag trinkend in der Bar, wie es jeder vernünftige Mensch getan hätte.
Doch Freds hatte natürlich einen Narren an den Elefantenritten gefressen. Und er überredete mich oft genug, ihn zu begleiten. Eigentlich war das gar nicht so schwer, da mir als ebenfalls im Tourismus tätiger Kollege Daubahal wirklich leid tat. Man neigt dazu, es persönlich zu nehmen, wenn die Kunden stöhnen und spotten und die Nase über die geplanten Aktivitäten rümpfen. Also stiegen wir die Stufen der Aufsitzplattform hoch, gingen an Bord und ritten den ganzen Nachmittag auf einem Elefanten durch den Dschungel – ziellos, unbequem und gelangweilt.
Doch ich muß eingestehen, daß die Ritte manchmal auch etwas für sich hatten. Wir erfuhren, daß der Dschungel von Chitwan ausgeprägte Zonen hatte; eine Menge davon bestand als Saalwald, aber es gab auch dichtere Knoten aus kleinerem Unterholz und Bäumen; Bambusdickichte; offene Streifen mit Elefantengras, das seinen Namen zurecht trug, da es aussah wie normales Gras, aber fünf Meter hoch war (Freds sagte: »Wenn ich mir mal in einer Vorstadt ein Haus kaufe, pflanze ich dieses Zeug an, kannst du dir das vorstellen?«); und eine Reihe offener Geröllzonen, die von flachen Flüssen umsäumt wurden. Gelegentlich stießen wir auf ein Nashorn oder sahen, wie ein aufgeschrecktes Reh davonlief. Einmal erhaschten wir einen Blick auf einen Schakal. Bunte Vögel blitzen vorbei, darunter auch ein blaues und bronzefarbenes Ding, das aussah, als bestünde es aus Juwelen. Und an einem Flußufer fanden wir, tief in den Sand eingedrückt, perfekte Spuren eines Tigers. Der Abdruck einer Katzenpfote, so groß wie meine ausgestreckte Hand. »Mein Gott«, sagte Freds und beugte sich über das Geländer, bis er fast runterfiel. »Das ist aber eine große Tatze, was?« Die Bayern machten Fotos von den Spuren; näher würden wir in unserem Lager einem Tiger nicht kommen, und als ich zu den Abdrücken hinabsah, tat es mir nicht leid.
Und dann, als wir eines Nachmittags bei Sonnenuntergang nach Hause stapften, kamen wir zu einer Lichtung an einem Fluß und konnten im Norden einen Hügelzug sehen, einen der ersten Ausläufer des Himalaja, bloße grüne Hügel, aber wahrscheinlich trotzdem dreieinhalbtausend Meter hoch, und während ich hinübersah, kam mir in den Sinn, daß ich mich auf der indischen tektonischen Platte befand, während dieser Hügelzug auf der asiatischen Platte lag, und ich konnte es gewissermaßen sehen, gewissermaßen die Kollision spüren (ein stoßendes und knirschendes Auf und Ab), und die letzten Sonnenstrahlen färbten die Luft mit einem dunklen, rauchigen Rot und das Elefantengras bronze, und Freds sah mich mit seinem verrückten Grinsen an, und ich verspürte bis in die Knochen ein leises Glühen. Ich hätte in diesem Augenblick in einem Verkehrsstau auf einem Freeway in L. A. stecken können, doch statt dessen war ich mitten in Asien, auf dem Rücken eines Elefanten im Dschungel. Ich konnte nicht anders, ich mußte Freds' Grinsen einfach erwidern.
Abgesehen von den Schäden, die man sich zuzog, wenn man in nur drei Tagen zwölf Stunden auf einem Elefantenrücken verbringt, war unser Urlaub im Royal Chitwan Jungle Camp also wirklich in Ordnung. Verglichen mit dem, was ich durchgemacht hatte, als ich Freds die letzten paar Male begleitete, war es in der Tat die reinste Erholung. Das machte mich natürlich überaus nervös. Als nichts Außergewöhnliches geschah, wuchs in mir Nacht für Nacht der Argwohn und der allgemeine Schrecken. Die winzigsten Zwischenfälle nährten meine Beunruhigung – Freds verschwand zum Beispiel einen Nachmittag lang. Oder als er mit einem der Elefantenführer sprach. »Freds, ich dachte, du hast gesagt, du sprichst kein Nepalesisch.«
»Tu' ich auch nicht, George, ich spreche Tibetanisch.«
»Dann ist dieser Elefantenführer wohl Tibetaner.«
»Richtig.«
Ein tibetanischer Elefantenführer. Grund zum Nachdenken.
Ich tat dies, eines Abends in der Bar, und es machte mich noch nervöser. Um ein namenloses Entsetzen zu unterdrücken, griff ich auf eine Sturznarkose mit den Kamikaze-Drinks zurück und fühlte mich schon bald besser. Dann hatte es jedoch den Anschein, daß ich mich etwas zu gut fühlte, und ich taumelte zu
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