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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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umgesehen, und wir glauben, wir haben sie gefunden, aber ich will verdammt sein, wenn sie nicht direkt neben dem Tiger View liegt.«
    »Direkt neben dem Tiger View.«
    »Ja, das ist eins der großen, teuren Camps drüben im Park, wie Tiger Tops. Ein kleiner Felsvorsprung erhebt sich direkt im Süden dieses Tiger View-Camps, und dort liegt eine Höhle, und Dawa ist ziemlich sicher, daß es sich dabei um einen der Eingänge zum Tunnelsystem handelt. Also müssen wir sie des Nachts überprüfen.«
    »Sind des Nachts nicht jede Menge Tiger am Tiger View?«
    »Ja, aber Sunyash wird sie verscheuchen.«
    Ich seufzte. »Freds, warum bin ich hier?«
    »Um Gutes auf dieser Erde zu tun, George. Deshalb sind wir alle hier.«
    »Ich meine, warum bin ich heute abend hier bei euch? Warum habt ihr mich mitgeschleppt?«
    »Dawa und ich wollen diese Höhle überprüfen und uns vergewissern, daß es sich um den Tunneleingang handelt, und es muß jemand bei Sunyash bleiben, damit sie nicht davonspaziert. So einfach ist das.«
    Mir war so schlecht, daß ich eine Weile nicht antworten konnte. »Du hast mich belogen«, sagte ich schließlich. »Du hast gesagt, daß sei nur ein Urlaub.«
    »Na ja, ich dachte, ich lasse diesen Teil lieber aus, damit du dir keine Sorgen machst. Stell dir doch vor, du wärest auf Schatzsuche.«
    »Eine nächtliche Schatzsuche in einem Dschungel mit Tigern. Auf dem Rücken eines gestohlenen Elefanten.«
    »Sie ist nicht gestohlen, wir borgen sie nur aus.«
    Ich gab es auf.
    Sunyash trampelte unter dem Baldachin der Saalbäume weiter durch den Dschungel. Ein Halbmond stand im Himmel, so daß wir etwas Licht hatten – die Formen schwarz auf schwarz, und in einem gelegentlichen Strahl Mondlicht konnten wir unheimliche Bäume und hinabhängende Ranken ausmachen. Sunyash erzeugte zu viel Lärm, als daß wir sonst noch etwas hören könnten, doch als Dawa sie anhalten ließ, um sich umzusehen, umschlangen uns die Geräusche des nächtlichen Dschungels wie ein guter Soundtrack: ein Knistern und Rascheln, das Zirpen von Insekten, das leise Husten eines Tiers. Es war viel dschungelhafter als bei Tageslicht, und das Wissen, daß die Tiger zu ihren nächtlichen Streifzügen aufgebrochen waren, fügte eine Spannung hinzu, die man bei Sonnenschein nicht hatte. Freds hatte wahrscheinlich recht, wenn er behauptete, kein Tiger würde in der Nähe bleiben, wenn ein Elefant kam, doch es machte mich trotzdem nervös.
    Wir schaukelten lange weiter, so lange, daß ich fast wieder eingeschlafen wäre. Dann stieß Freds mich an, und ich sah zu unserer Rechten ein Leuchten; »Tiger View«, sagte er. »Das sind die Lichter, die sie anmachen, damit sie die Tiger sehen können.«
    »Ah.«
    »Wir sind fast da. Es muß irgendwo da oben sein.«
    »Schön.«
    Wir bewegten uns durch die Dunkelheit. Ich hielt mich an meinem Pfosten und dem Geländer fest.
    Schließlich ließ Dawa Sunyash anhalten. Zuerst sah es für mich hier so aus wie überall sonst auch, doch dann bemerkte ich im Mondlicht einen kleinen dunklen Hügel – eine von Sträuchern bedeckte Felskuppe, auf deren Kuppe mehrere kleine Saalbäume wuchsen. Die Scheinwerfer vom Tiger View waren immer noch ganz in der Nähe, aber nun hinter uns – zwischen uns und unserem Lager, schätzte ich.
    Freds und Dawa glitten von Sunyash hinab. »He!« sagte ich.
    »Wir binden sie an diesen Baum«, sagte Freds zu mir hinauf. »Halte deine Füße auf ihrem Rücken, damit sie weiß, daß du da bist. Wir kommen so schnell wie möglich zurück; länger als eine Stunde werden wir wohl nicht brauchen.«
    »He!« protestierte ich. Doch sie waren schon fort. Ich saß allein auf dem Rücken eines Elefanten, des Nachts mitten im Dschungel. Hier lag eine klassische Freds-Operation vor. Doch so nervös ich auch war, sie kam mir, verglichen mit den Situationen, in die er mich zuvor gebracht hatte, eher als harmlos vor. Ich machte es mir bequem, die Stiefel fest auf Sunyash' breiten Rücken gedrückt, und sie machte es sich vor einem Bambusbüschel bequem, um einen kleinen Mitternachtssnack einzulegen, und in meiner Trunkenheit hatte ich den Eindruck, ziemlich unbehelligt aus dieser Sache herauszukommen. Es war nicht einmal so kalt. Ich war daran gewöhnt, des Nachts in Nepal hinauszugehen und augenblicklich zu frieren, doch hier unten im Terai war es nur etwas kühl und feucht, und ich saß überdies direkt auf einer ziemlich wirksamen Heizung. Also legte ich mein Kinn auf das Geländer, versuchte, die

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