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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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weiten Ebenen angewandt, um die Elefanten dazu zu bringen, in ihre Version eines Galopps zu fallen, damit die Touristen miterlebten, wie schnell ein Elefant laufen konnte.
    Ich nehme an, ich hätte in diesem Augenblick bei Sunyash den Stock eingesetzt, doch ich hatte keinen. Auf meine Faustschläge und Tritte reagierte sie nicht, und wenn ich an ihrem empfindlichen Ohren zog, schüttelte sie nur verwirrt den Kopf.
    Schließlich beugte ich mich vor und flüsterte etwas in diese monströsen Ohren. »Bistarre«, sagte ich, was »langsam« bedeutet. Dieses Wort lernen die meisten Trekker schon an ihrem ersten Tag in Nepal von ihren Trägern. »Bistarre, Sunyash, bistarre.« Dazu drückte ich meine Stiefel gegen ihren Kopf, wie ein Rodeoreiter, der versucht, aus einem lahmen Pferd Zusatzpunkte herauszuholen.
    Und sie setzte sich in Bewegung.
    Danach kam es nur darauf an, sie langsam zu dirigieren, wobei ich die Scheinwerfer beim Tiger View als Bezugspunkte nahm. Als ich mich dort befand, wo meiner Meinung nach der Hügel sein sollte, war kein Hügel zu sehen. Ich ließ sie in Kreisen herumwandern, bis ich auf den Hügel stieß. Die Scheinwerfer am Tiger View gaben mir sogar eine Vorstellung, auf welcher Seite der Erhebung wir uns befanden, als Sunyash sich entschloß, die Gegend zu verlassen.
    Wir trotteten gerade los, als Sunyash plötzlich trompetete. Ich dachte schon, wir würden wieder in einen Galopp fallen, und rief »Nein!«; doch es war nur Dawa, der ihren Rüssel hinaufkletterte. Freds zog sich an den Riemen der Plattform an ihren großen runden Seiten hoch.
    »Hallo, Kumpel«, sagte Freds. »Tut mir leid, daß wir so lange gebraucht haben, aber wir haben gefunden, wonach wir suchten. Hoffentlich hast du dich nicht gelangweilt.«
    »Nein«, sagte ich.

4

    Auf dem Rückweg erklärte Freds dann, er wolle sich den Tiger View mal genauer ansehen. »He, da sind wir ganz in der Nähe, und du bist gar nicht neugierig? Ich meine, vielleicht sehen wir sogar einen der Tiger, die sich da rumtreiben.«
    »Sunyash mag keine Tiger in ihrer Nähe.«
    »Wir bewahren eine sichere Entfernung. He, das ist doch direkt da drüben.« Er sprach kurz mit Dawa, und Sunyash bewegte sich durch die Nacht auf den Schimmer des Schweinwerfers zu. Wir blieben stehen, als wir durch eine Lücke zwischen den Bäumen die beleuchtete Lichtung sehen konnten, die sich unter den verschwommenen Formen der Aussichtstürme des großen Lagers erstreckte.
    Auf der Lichtung war mitten auf einem niedergetrampelten und blutigen Grasstreifen ein junges Schaf, eigentlich noch ein Lamm, an einen Pfosten gebunden. Die verstümmelte und halbwegs aufgefressene Leiche eines anderen Lamms lag am Rand des Lichtkreises. Das noch lebende Lamm kauerte sich elendig nieder und senkte dann und wann den Kopf, um an dem gebrochenen Gras zu knabbern. Das Seil, mit dem es an den Pfosten gebunden war, war straff gespannt; es hatte sich so weit wie möglich von dem Pfosten entfernt.
    »Mein Gott«, sagte ich angewidert. »Ein Köder?«
    »Glaube schon«, sagte Freds. »Ich habe gehört, sie garantieren einem, daß man Tiger sieht, wenn man im Tiger View wohnt, und so machen sie es wohl. Sie machen es so ziemlich jede Nacht, und die Tiger wissen das und kommen auf einen kleinen Snack vorbei. Ziemlich ekelhaft, was?« Im schwachen Licht wirkte Freds' Grinsen wütend. »Ich weiß noch, wie einer der Schüler in meinem Internat einen Kaimanfisch in einem großen Aquarium hielt, und er fütterte ihn mit kleinen Elritzen oder Goldfischen oder was weiß ich, und der Kaimanfisch lag ganz ruhig auf dem Boden des Aquariums, und plötzlich wirbelte er hoch, und ein Goldfisch fehlte, du weißt schon, und wir fanden das richtig aufregend und saßen vor dem Aquarium und sahen zu und kamen uns wie Nazis vor. Aber so etwas!«
    »Und in den Türmen sehen Leute zu?«
    »Klar! Das ist doch der Sinn der Sache! Und Tiger sind schmutzige Killer, sie fangen schon mit dem Fressen an, bevor das kleine Ding ganz tot ist, und so weiter.«
    »Verschwinden wir hier, bevor wir zusehen müssen.«
    »Ja, gut. Obwohl mir gerade in den Sinn gekommen ist, daß wir eigentlich … weißt du, was wir eigentlich tun sollten? Wir sollten eigentlich …«
    »Wir sollten was, Freds?«
    Aber er hatte sich schon in ein Gespräch mit Dawa vertieft und beugte sich gleichzeitig weit über die Seite der Plattform. »Freds!« flüsterte ich scharf und zog ihn an seinem Gürtel wieder hinauf. »Was, zum Teufel, tust du

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