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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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– sie glauben, das zermahlene Horn sei ein Aprodisiakum.«
    »Ein Aprodisiakum?«
    »Ja. Die Chinesen meinen wohl, sie pflanzten sich nicht gut genug fort.«
    »Und es war ein Jeep der nepalesischen Armee?«
    »Ja, aber das kann alles mögliche bedeuten. Sie können ihn gestohlen oder geborgt haben – oder das da draußen sind Soldaten.«
    Plötzlich erklang ein Schrei in den Bäumen zu unserer Rechten, und ein Päng! Päng! Päng! Wir wurden beschossen. Eine Kugel sauste wie eine große Bremse über unsere Köpfe, und dann war Sunyash wieder mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs. Selbst, als sie vor dem Tiger floh, war sie nicht so schnell gewesen; Dawa beugte sich vor, schrie ihr etwas in die Ohren, und sie stapfte wirklich drauflos, schneller, als irgendein anderes Tier in diesem Terrain hätte laufen können, von einem Nashorn einmal abgesehen. Ich konnte noch immer Schüsse hinter uns hören, doch wir schienen sie hinter uns zu lassen.
    Dann bemerkte ich, daß sich unsere Plattform nach links neigte und mit jedem Schritt tiefer an Sunyash' breiter Flanke hinabrutschte. »Die Riemen haben sich gelockert!« rief Freds und hielt sich an dem hinabhängenden Geländer fest. »George, beug' dich vor und halt' den Riemen fest!«
    Und so lehnte ich mich unter das Plattform-Geländer, griff hinab und ertastete einen Riemen, der Sunyash anscheinend von vorn nach hinten umfaßte. Ich schlang eine Hand um den Riemen und ein Knie um den Eckpfosten und konnte damit verhindern, daß die Plattform weiter hinabrutschte. Allerdings mußte ich nun in dieser Position bleiben. Und Dawa, der vor den Wilddieben Angst hatte, ließ Sunyash den ganzen Weg bis zu unserem Lager laufen, und ich hing mit dem Kopf nach unten an der rechten Seite des Elefanten hinab, und jeder Ast, an dem wir vorbeikamen, scharrte mir die Haut auf. Über mir blökte das Schaf, und Freds rief: »Gut so, George! Halt durch! Wir sind fast zu Hause!«
    Schließlich erreichten wir unser Camp und fielen in einen langsameren Trott. Am Aufsitzturm befreite man mich von der Plattform und den Riemen und fing mich auf, als ich hinabrutschte. Dawa kümmerte sich um Sunyash und das Schaf, während Freds mich zu unserer Hütte brachte. Ich warf mich auf mein Bett und fiel bald in den tiefen Schlaf des Vergessens.
    Eine Stunde später kamen die Campbediensteten und klopften an alle Türen, um uns zu wecken. Daubahal steckte den Kopf in unser Zimmer; die aufgehende Sonne leuchtete auf seinem lächelnden Gesicht.
    »Elefantenritt!« erklärte er.
    An diesem Abend gab es Lamm zum Essen.

6

    Am folgenden Tag übergaben wir das Horn den nepalesischen Polizisten, die Daubahal benachrichtigt hatte, und nannten ihnen die Nummer des Jeeps, die Freds sich eingeprägt hatte: 346. Ich fragte mich unwillkürlich, ob das Horn nicht trotzdem in China enden würde, nur über andere Kanäle.
    Ich warf einen Blick in den gesprungenen Spiegel in unserer Dusche und stellte fest, daß ich wie ein Märtyrer aussah, der versucht hatte, die Malaien zu bekehren und mit der Bambuspeitsche Prügel bezogen hatte; ich fühlte mich allerdings noch schlimmer. Doch wir kehrten mit einem letzten schmerzhaften Elefantenritt zu dem Landrover auf der anderen Seite des Dschungelflusses zurück und fuhren los. Und an diesem Abend waren wir wieder im Hotel Star in Katmandu, und was mich betraf, war unser Dschungelabenteuer ausgestanden. Finito. Endgültig. Alles in allem war es gar nicht so schlecht gewesen. Im Vergleich zu den anderen Unternehmungen mit Freds, bei denen man mich wirklich durch die Mangel gedreht hatte, war es wirklich harmlos gewesen. Eine Nacht im Dschungel. Toll. Ende der Geschichte. Klasse. Ich Glücklicher. Tut mir leid, daß diese Geschichte nur so kurz ist.
    Aber sie waren noch nicht fertig mit mir.
    Denn am Tag nach unserer Rückkehr klopfte es an der Tür.
    Ich bekomme in meinem Hotelzimmer nur selten Besuch. Und so nahm ich meinen Bluet-Gaskocher, um ihn Freds ins Gesicht zu werfen, falls er es sein sollte, und dann einfach abzuhauen, und ich riß die Tür auf, brülle: »Was willst du!«, und es war Freds, und ich ließ den Kocher fliegen, und er duckte sich, und der Kocher segelte auf den Hof des Star hinab und schepperte dort über das Kopfsteinpflaster.
    Aber es standen noch zwei Leute neben Freds, und zwar Nathan Howe und Sarah Hornsby. »Nathan!« sagte ich. »Sarah!«
    »George!« sagten sie, entsetzt über meinen Willkommensgruß.
    Ansonsten sahen sie noch genauso aus wie

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