Flucht aus Katmandu
damals vor zwei Jahren, als ich sie zuletzt gesehen hatte. Nathan hatte noch immer seinen perfekten Walroßbart und trug nun die Jacke mit den Lederflicken an den Ellbogen, die der Bart verlangte, so daß ich annahm, daß er ein Lehramt bekommen hatte oder eins bekommen würde, sobald ein akademisches Komitee ihn zu Gesicht bekam; so aufrecht, redlich und blauäugig, wie unser Nathan nun mal ist. Außerdem hat er einen tollen Haarschnitt – Und Sarah sah noch immer wie die tollste Bibliothekarin auf Erden aus, und die von Ihnen, die öfter mal eine Bibliothek aufsuchen, wissen, was das heißt; aber bei ihr kam noch dieser eulenhafte Anflug hinzu, der einen richtig wild macht. Ich stehe nicht auf diese New Age-Begrüßungen, entschloß mich jedoch, daran augenblicklich etwas zu ändern, um Sarah umarmen zu können, und es war atemberaubend. Als ich Nathan die Hand schüttelte, sah ich die Ringe an ihren Fingern und sagte: »Was ist das denn? Verheiratet?«
Sie nickten. Ein breites Lächeln von Nathan, dem Glückspilz.
»Phantastisch!« sagte ich. Ich riß mich zusammen und winkte sie in mein Reich. »Kommt schon rein!«
»Was ist mit dir passiert, George?« fragte Sarah, als sie eintraten. »Du siehst aus, als hättest du einen Unfall gehabt.«
»Hatte ich auch«, sagte ich. »Ich habe zugestimmt, Freds einen Gefallen zu tun.«
»Wir hatten einen Notfall«, sagte Freds, der an seiner üblichen Stelle auf dem Boden saß.
»Komisch«, sagte Nathan, als er und Sarah und ich uns auf das Bett und den Stuhl setzten. »Wir wollten dich bitten, uns auch einen Gefallen zu tun, und erfuhren letzte Woche von Freds, daß du noch hier im Star wohnst – aber wir haben dich hier nicht auftreiben können.«
»Na ja, das liegt daran, daß Freds und ich …«
Ich bemerkte, wie Freds Wangen kräftig erröteten. Ich musterte ihn, und er ließ den Kopf hängen und versuchte, im Boden zu versinken. »Freds brauchte meine Hilfe. Ein paar seiner Freunde haben ein Dschungelcamp aufgemacht, und wir sollten das Geschäft ankurbeln. Nicht wahr, Freds?«
Freds nickte, das Kinn noch immer auf der Brust. »Äh, ja, richtig«, murmelte er.
Nun ist Freds ein schlechter Lügner. Das soll nicht heißen, daß er nicht hervorragend darin ist, der Wahrheit auszuweichen, sie zu übergehen oder zu seinen Zwecken zu verdrehen; als jemand, der mehr als nur einmal von ihm manipuliert wurde, verrückte Sachen zu tun, habe ich einen gesunden Respekt vor seiner Gerissenheit und Unzuverlässigkeit. Doch er kann einem nicht glattwegs ins Gesicht lügen. Er errötet, sein Gesicht zuckt, er schielt wie Popeye zu einem hinüber, um zu sehen, ob man ihn beobachtet, und fängt zu stottern an. Er erzählt so dumme Lügen, daß ein Fünfjähriger sie ihm nicht glauben würde.
Also musterte ich ihn eindringlich. »Falls Nathan und Sarah dich gefragt haben, wo ich bin, haben sie wahrscheinlich auch erwähnt, daß sie mich um einen Gefallen bitten wollten, nicht wahr?«
»Ich erinnere mich nicht«, murmelte Freds.
»Aber Nathan wird sich wahrscheinlich erinnern«, sagte ich und rutschte ein Stück auf dem Bett vor, um ihn besser im Auge behalten zu können. »Nicht wahr, Nathan? Hast du Freds nicht gesagt, was du von mir willst?«
»Ja, sicher«, sagte Nathan und legte neugierig den Kopf schief. »Ich glaube schon.«
»Und kaum hast du es ihm gesagt, kam Freds angelaufen und schleppte mich in den Dschungel davon. Das läßt doch den Verdacht zu, daß er nicht wollte, daß ich euch helfe« – und ich beugte mich vor und schrie in Freds' Ohr – »nicht wahr?«
»Ich hab's vergessen«, sagte Freds. Er hob den Kopf, um uns anzusehen, und es war, als stünde direkt hinter ihm ein großer Lügendetektor, und eine ganze Palette roter Warnleuchten und eine Sirene gingen los. Seine Augen sahen aus, als würden sie gleich in den Höhlen rotieren. »Ich hab's einfach vergessen, das ist alles, und als mich meine Kumpel unten im Chitwan Camp baten, ein paar Freunde mitzubringen, dachte ich natürlich gleich an George.« Ein rot angelaufenes Südstaatengesicht, das lange, blonde Hippiehaar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden: es hätte auf der ganzen Welt keinen schlechteren Lügner geben können. Er blinzelte hundert Mal die Minute, er sah verzweifelt von einem Gesicht zum anderen, um festzustellen, ob wir ihm vielleicht doch glaubten, und sein Mund ging auf. »Außerdem«, schrie er mich an, »wirst du ja gleich hören, was sie von dir wollen, und dann siehst du,
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