Flucht aus Katmandu
Gebetsmühle und schnappte: »Was sollen wir jetzt tun? Sie haben zweitausend Rupien ausgegeben, und wir können dafür nichts vorweisen! Wir sind an die verdächtigste Beamtenbande auf Erden geraten! Was sollen wir jetzt tun?«
George nahm einen tiefen Zug und hielt die Luft an, bis er blau anlief. »Keine Ahnung. Ich meine, was können wir schon tun? Wir haben eine indische Straße, mehr wissen wir nicht. Die Schweizer wollen nicht. Warum nicht? Keine Ahnung. Die Inder bauen sie. Den Chinesen wird das nicht grade gefallen, ich meine, die Inder waren auch nicht begeistert, als die Chinesen diese Straße von Lhasa nach Katmandu bauten. Oder? Was New Delhi und Beijing betrifft, sind diese Straßen nur Angriffskorridore, und die beiden benehmen sich ganz schön paranoid. Vielleicht könnten wir versuchen, ihnen solche Angst einzujagen, daß sie die Straße nicht bauen. Einen Überfall vortäuschen, oder sowas in der Art …«
Der Colonel packte ihn am Hals und hob ihn hoch. »JA!« kreischte er und ließ George aufs Bett zurück fallen. »JA!« Er zitterte, als wäre er mit dem Zeh in eine Steckdose geraten.
»Ja was?« sagte George und massierte seinen Hals.
Colonel John stach mit einem Finger auf ihn ein. »Überfall! Überfall! Überfall!«
»Völlig sinnlos. Die kleinen Mistkerle kriechen doch unter der Tür her.«
Der Colonel ignorierte ihn. »Wir verkleiden ein paar Khampas als Chinesen und überfallen des Nachts die Armeekasernen in Chhule.«
»Wie wollen Sie denn an chinesische Uniformen rankommen?« fragte ich.
»Haben jede Menge davon«, sagte er düster. »Müssen nur die Löcher zunähen.« Er dachte darüber nach. »Wir gehen in derselben Nacht noch nach Tibet rüber und greifen den nächsten chinesischen Heeresposten an. Gehen über den Nangpa La, damit beide Seiten glauben, der Angriff sei von der anderen Seite gekommen. Halten Shambhala heraus. Grenzzwischenfall, Chinesen reichen Protest ein, Birendra macht Rückzieher wie '72, und das Straßenprojekt ist endgültig gestorben. JA!« Er beugte sich vor, um George ins Gesicht zu brüllen: »Hervorragender Plan, Soldat!«
Doch George war auf dem Bett ohnmächtig geworden.
Am nächsten Morgen konnte er sich nicht einmal daran erinnern, wie der Plan aussah, und als wir ihn ihm erklärten, konnte er nicht glauben, daß es seine Idee war. »O nein, nicht mit mir, Freds. Du versuchst es schon wieder, und ich will nichts damit zu tun haben!«
Colonel John packte schon.
»Denk ans Singha Durbar«, sagte ich zu George. »Denk an Birendra und die Ranas. Denk an A. Shumsher Jung Bahadur Rana.«
Das hatte seine Wirkung. Er hätte vielleicht noch etwas gemeckert, wenn er nicht so verkatert gewesen wäre. Er kroch zu seinem Fenster und sah auf die Dächer Thamels hinaus.
»Na schön«, sagte er nach einer Weile. »Ich mache es. Es ist ein dummer Plan, aber er ist besser als das … « Er deutete mit der Hand auf ganz Katmandu.
Also machten wir uns wieder reisefertig, was für Colonel John bedeutete, daß er in den Landrover sprang, und für mich, daß ich meinen Rucksack packte; doch George hatte noch einiges zu erledigen. Zuerst kaufte er ein paar große Kanister Benzin. Dann kaufte er fast alle Antibiotika in Katmandu auf, eine Suche, die ihn nicht nur in die kleinen Apotheken um Thamel führte, sondern auch zu vielen Straßenhändlern, die neben anderen Händlern, die kandierte Früchte oder Weihrauch verkauften, ihre Decken auf den Bürgersteigen ausgebreitet hatten und alle möglichen Medikamente verkauften; sie versorgten sich bei zurückkehrenden Bergsteigerexpeditionen. Er trieb unter anderem auch eine Packung Tinnidazol auf, ein Medikament gegen Giardia, das in den Staaten verboten war – eine richtige Ochsenkur, man nimmt vier große Pillen, und am nächsten Tag ist die Giardia in einem tot, zweifellos gemeinsam mit dem größten Teil der Gedärme. George schluckte dieses Gift auf die bloße Möglichkeit hin, daß er unter Giardia litt, und nahm seine weiteren Aufgaben in Angriff.
Eine davon bestand darin, bei unserem Freund Bahadim vorbeizuschauen und sich mit ihm zu beraten; er gab ihm eine Bekanntmachung, die er für die Nepal Gazette geschrieben hatte, und einige Briefe, die anscheinend auf A.S.J.B. Ranas Briefpapier geschrieben waren.
Nach schnellen Besuchen im Schweizerischen Konsulat und dem Palastsekretariat war er dann reisefertig. Colonel John fuhr uns zu dem Bauernhof am Ende der Straße, und wir versteckten seinen Landrover und
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