Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flucht aus Korum

Flucht aus Korum

Titel: Flucht aus Korum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Leinen.
    Langsam erst, dann rasch schneller werdend, stieg das Luftschiff auf. Die Kriegerinnen des Schwertmonds blieben unter ihm zurück.
    »Honga«, brüllte Burra wütend, »du wirst mir nicht entkommen, und wenn du bis ans Ende der Welt fliehst.«
    Es klang wie ein Schwur.
     
    *
     
    Leichte Winde trieben den Zugvogel davon.
    Man war sich klar darüber, daß Vina sterben würde, wenn nicht bald ein Wunder geschah. Sie verfiel zusehends. Wo die Krallen des Greifvogels ihre Kopfhaut aufgerissen hatten, verfärbte sich diese schwarz.
    Der Atem der Hexe ging flach und unregelmäßig.
    »Nur ihr Wille erhält sie noch am Leben«, murmelte Ramoa. »Sieh dir ihre Augen an, Honga… als wolle sie dir vieles sagen.«
    Mythor nickte stumm. Sanft strich er über Vinas Haar.
    »Wir werden dich retten. Gerrek bringt uns zur Zaubermutter.« Er wußte, daß seine Worte Lüge waren – und Vina schien es ebenfalls zu wissen. Kaum wahrnehmbar schüttelte sie den Kopf.
    »Honga«, kam es leise über ihre Lippen. »Oder auch Mythor aus Gorgan – du hast viele Feinde in Vanga.«
    Gerrek ließ ein überraschtes Fauchen hören.
    Stockend fuhr die Hexe fort: »Vertraue niemandem, und vor allem: verrate niemandem, wer du wirklich bist, Kometensohn. Du stehst unter Zahdas Schutz. Ich…« Ihr Körper verkrampfte sich. Vorsichtig bettete Gerrek ihren Kopf in seine Hände und richtete sie halb auf. Nach einer Weile schien Vina wieder Luft zu bekommen. »Gerrek«, stöhnte sie, »bringe Mythor zu Ambe. Die Hexe ist… mit mir befreundet, sie wird Wissen, was zu tun ist.«
    »Warum? Du wirst uns…«
    »Nein«, hauchte Vina. »Der Schatten des Todes greift nach mir; ich fühle ihn und seinen eisigen Atem. Versprich mir, Gerrek, daß du meinen Körper dem Meer übergibst. Die Wogen, die Bestand haben bis an der Welt Ende, sollen mein Grab sein.«
    »Ich will alles tun, was du verlangst«, sagte der Mandaler mit zitternder Stimme. Die Hexe zeigte die Andeutung eines Lächelns.
    »Und du, Ramoa, sollst mein Gewand und die Zauberringe anlegen. Kämme auch deine Haare, wie ich sie trage.«
    »So wird es geschehen«, nickte die Feuergöttin.
    »Mythor«, flüsterte Vina kaum mehr verständlich. »Du suchst Fronja, die Tochter des Kometen. Hüte dich…« Gurgelnd brach sie ab. Ihr Blick suchte den des Gorganers, und als sie ihn fand, leuchteten ihre Augen auf.
    »Sprich weiter!« bat Mythor, obwohl es ihm schwerfiel.
    Die Hexe bäumte sich auf. »Du schwebst in großer Gefahr. Die Mächte des…« Dann war alles vorbei. Vina starb mit einem Seufzer auf den Lippen.
     
    *
     
    Der Flug des Zugvogels war unruhig geworden. Niemand vermochte das Luftschiff so zu steuern, wie Vina es gekonnt hatte. Selbst Gerrek nicht. Zudem klagte der Beuteldrache immer häufiger über eine unerklärliche Krankheit, die in seinem Innern wühlte.
    »Du hast Angst vorm Fliegen«, stellte Mythor ungerührt fest.
    »Ich?« brummte Gerrek.
    »Wer sonst!« bestätigte der Gorganer.
    »Hm.«
    Dann aber schreckte Gerrek plötzlich auf. Ramoa hatte ihre alten Kleider abgestreift und die Vinas angelegt. Dabei kam ihr zugute, daß sie ungefähr die Statur der Hexe besaß.
    »Du – siehst aus wie sie«, stammelte der Mandaler.
    Das knöchellange Kleid aus weich fallender Seide, mit einer goldenen Kordel gegürtet, umspielte lose ihren Körper. Darüber trug sie den blutroten Umhang und die beiden doppelschneidigen Kurzschwerter. Ihr langes Haar, früher wie Flammen im Wind, hatte sie straff zurückgekämmt und im Nacken zu einem Knoten geschlungen, der von einem handgroßen, silbernen Zierkamm zusammengehalten wurde.
    Später – der Tag zeigte sich in trübem Dunst und der Himmel war wolkenverhangen – wurde Vinas Leichnam dem Meer übergeben. Irgendwie hatte Gerrek das Kunststück fertiggebracht, den Zugvogel bis dicht über die Wellenkämme absinken zu lassen.
    »Leb wohl!« murmelte er, als er den leblosen Körper über den Rand der Gondel stieß. In seinen Augen schimmerten große Tränen. »Verzeih, wenn ich dich gekränkt habe oder mürrisch war. Eine Hexe wie dich, die gut zu mir ist, werde ich nie wieder finden.«
    Lange starrte er noch auf die Wogen hinab, und ihm war, als hätte er einen Teil seiner selbst verloren. Als er wieder aufsah, türmten sich schwarze Gewitterwolken am Horizont. Das Unwetter kam schnell näher.
    Ein heftiger Sturm, von sintflutartigen Wolkenbrüchen begleitet, peitschte das Luftschiff vor sich her. Irgendwann brachen die beiden Flügel,

Weitere Kostenlose Bücher