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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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einen Festtag für mich.«
    »Dass Beryl da war?«
    »O ja! Ich freute mich so. Ich glaube, die drei hatten in New York geschäftlich zu tun gehabt. Soviel ich weiß, hatten sie Beryls Agenten besucht. Sie landeten auf ihrem Nachhauseweg in Richmond und waren so freundlich, über Nacht bei uns zu bleiben. Oder sagen wir so, die Harpers blieben über Nacht bei uns, da Beryl ja in Richmond wohnte. Spät am Abend hat Joe sie nach Hause gebracht, und am nächsten Morgen fuhr er die Harpers nach Williamsburg.«
    »Erinnern Sie sich noch an diesen Abend?«, fragte ich.
    »Lassen Sie mich mal sehen ... Ich erinnere mich, dass ich eine Lammkeule gebraten hatte. Sie kamen mit Verspätung vom Flughafen, weil Mr. Harpers Koffer verlorengegangen war.«
    Das geschah vor fast einem Jahr, dachte ich. Damals hatte, soviel uns bekannt war, Beryl noch keine Drohung erhalten.
    »Sie waren ziemlich müde von der Reise«, fuhr Mrs. McTigue fort. »Aber Joe war so gut. Er war der liebenswürdigste Gastgeber, den Sie sich je wünschen könnten.«
    Hatte Mrs. McTigue es damals beobachtet? Hatte sie an der Art, wie ihr Mann Miss Harper angesehen hatte, gemerkt, dass er in sie verliebt war?
    Ich dachte daran, wie abwesend Marks Augen in den lang vergangenen letzten tagen unserer Beziehung ausgesehen hatten. Als ich auf einmal, rein instinktiv, alles gewusst hatte. Ich hatte gewusst, dass er nicht an mich dachte, und trotzdem hatte ich nicht glauben können, dass er in eine andere verliebt war, bis er es mir schließlich erzählte.
    »Es tut mir leid, Kay«, hatte er gesagt, als wir zum letzten Mal in unserer Lieblingsbar in Georgetown zusammen Irish Coffee getrunken hatten und winzige Schneeflocken aus einem grauen Himmel auf die schönen Paare heruntergewirbelt waren, die, eingepackt in Wintermäntel und bunte gestrickte Schals, vorbeiflaniert waren. »Du weißt, dass ich dich liebe, Kay.«
    »Aber nicht so, wie ich dich liebe«, hatte ich geantwortet, und der schlimmste Schmerz, den ich je verspürt hatte, presste mein Herz zusammen.
    Er hatte die Augen gesenkt. »Ich wollte dir nie weh tun.« »Natürlich wolltest du das nicht.«
    »Es tut mir leid. Es tut mir so leid.«
    Ich wusste, dass das stimmte. Es tat ihm wirklich und aufrichtig leid, aber es änderte überhaupt nichts mehr.
    Ich habe nie ihren Namen erfahren, denn ich wollte ihn nicht erfahren, und sie war auch nicht die Frau, die er, wie er mir erzählte, später geheiratet hatte. Janet, die dann gestorben war. Aber vielleicht war auch das eine lüge gewesen.
    »... er konnte ganz schön jähzornig sein.«
    »Wer?«, fragte ich und bemerkte auf einmal wieder Mrs. McTigue vor mir.
    »Mr. Harper«, antwortete sie und sah dabei sehr müde aus. »Er war so gereizt gewesen wegen seines Koffers. Glücklicherweise kam er schon mit der nächsten Maschine.« Sie verstummte. »Meine Güte. Es kommt mir vor, als sei es schon so lange her, und dabei ist es das gar nicht.«
    »Wie war Beryl?«, fragte ich. »Erinnern Sie sich noch, wie sie an diesem Abend war?«
    »Und sie alle sind jetzt tot.« Die Hände in ihrem Schoß erstarrten, als sie in diesen dunklen, leeren Spiegel sah. Alle waren sie tot, außer ihr. Die Gäste dieses so herbeigesehnten und zugleich fürchterlichen Abendessens waren nur noch blasse Gespenster.
    »Wir sprechen von ihnen, Mrs. McTigue. Sie sind immer noch bei uns.«
    »Vermutlich ist das so«, erwiderte sie, und tränen funkelten in ihren Augen.
    »Wir brauchen ihre Hilfe, und sie brauchen die unsere.« Sie nickte.
    »Erzählen Sie mir von diesem Abend«, forderte ich sie wieder auf. »Von Beryl.«
    »Sie war sehr still. Ich erinnere mich, dass sie dauernd ins Feuer starrte.«
    »Und sonst?«
    »Es gab da einen Vorfall.«
    »Was für einen Vorfall, Mrs. McTigue?«
    »Irgendetwas zwischen ihr und Mr. Harper schien nicht in Ordnung zu sein«, sagte sie.
    »Warum? Haben sie sich gestritten?«
    »Gleich als der Botenjunge den Koffer gebracht hatte, machte Mr. Harper ihn auf und nahm einen Umschlag mit Papieren heraus. Ich weiß nicht, worum es sich handelte. Aber er hatte schrecklich viel getrunken.«
    »Was passierte dann?«
    »Er geriet in einen ziemlich heftigen Wortwechsel mit seiner Schwester und Beryl. Dann nahm er die Papiere und warf sie einfachins Feuer. Er schrie: ›Das halte ich davon! Es ist Mist, Mist!‹ Oder so ähnlich.«
    »Wissen Sie, was er verbrannt hat? War es vielleicht ein Vertrag?«
    »Ich erinnere mich, dass ich den Eindruck hatte, es handelte

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