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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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die Luft. Ich drehte den Film weiter und fand den ersten Untersuchungsbericht des Leichenbeschauers. Ein gewisser Dr. Brown hatte in ihm vermerkt, dass der Verstorbene an demselben Nachmittag vom Valhalla Hospital, wo er als Sozialarbeiter beschäftigt gewesen sei, entlassen worden war. Als er die Klinik gegen fünf Uhr nachmittags verlassen hatte, benahm er sich auffallend erregt und wütend. Barnes war unverheiratet und erst einunddreißig Jahre alt, als er starb. Der Bericht des Leichenbeschauers führte zwei Zeugen auf, die Dr. Brown offensichtlich befragt hatte. Einer davon war Dr. Masterson, der andere eine Angestellte des Krankenhauses namens Miss Jeanie Sample.
     
    Wenn man an einem Mordfall arbeitet, fühlt man sich manchmal so, als habe man sich verirrt. Man folgt jedem Weg, der auch nur annähernd vielversprechend erscheint. Und manchmal, wenn man Glück hat, mündet ein unbedeutender Nebenpfad irgendwann auf den richtigen Lösungsweg. Was konnte ein Sozialarbeiter, der seit neun Jahren tot war, mit den Morden an Beryl Madison und Cary Harper zu tun haben? Und doch hatte ich das Gefühl, dass es da irgendeine Verbindung gab.
    Ich freute mich nicht gerade darauf, Dr. Mastersons Mitarbeiter zu befragen, und hätte jeden Betrag darauf verwettet, dass er längst diejenigen, die betroffen waren, vor meinem Anruf gewarnt und ihnen gesagt hatte, dass sie höflich, aber verschwiegen sein sollten. Am nächsten Morgen, es war Samstag, ließ ich mein Unterbewusstsein an diesem Problem weiterknobeln und rief die Klinik der Johns Hopkins University an in der Hoffnung, dass Dr. Ismail da wäre. Er war da und bestätigte meine Theorie. Proben aus Sterling Harpers Mageninhalt und ihrem Blut hatten ergeben, dass sie kurz vor ihrem Tod Levorphanol eingenommen hatte, dessen tödliche Konzentration von acht Milligramm pro Liter Blut zu hoch war, um versehentlich eingenommen worden zu sein. Sie hatte sich das Leben genommen, und zwar so, dass es unter normalen Umständen nie entdeckt worden wäre.
    »Wusste sie, dass Dextromethorphan und Levorphanol in einem routinemäßig durchgeführten toxikologischen Test beide wie Dextromethorphan erscheinen?«, fragte ich Dr. Ismail.
    »Ich kann mich nicht erinnern, jemals mit ihr über so etwas gesprochen zu haben«, sagte er. »Aber sie interessierte sich sehr für ihre Behandlung und die Medikamente, die sie einnahm. Es wäre möglich, dass sie sich in unserer medizinischen Bibliothek über den Sachverhalt informiert hat. Ich erinnere mich daran, dass sie eine Menge Fragen an mich stellte, als ich ihr zum ersten Mal Levorphanol verordnete. Das war vor einigen Jahren. Weil das Medikament noch im Versuchsstadium steckte, war sie neugierig und vielleicht ein wenig beunruhigt ...«
    Ich hörte kaum zu, während er mit seinen Erklärungen und Rechtfertigungen fortfuhr. Ich würde niemals in der Lage sein zu beweisen, dass Miss Harper die Flasche mit dem Hustensaft absichtlich so hingestellt hatte, dass ich sie finden musste. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie es getan hatte. Sie war entschlossen gewesen, in Würde und ohne Vorwürfe zu sterben, aber sie hatte dabei nicht allein sein wollen.
    Nachdem ich aufgelegt hatte, machte ich mir eine Tasse heißen Kaffee und ging in der Küche auf und ab, wobei ich manchmal stehenblieb und hinaus in den sonnigen Dezembertag schaute.
    Sammy, eines der seltenen Albino-Eichhörnchen, die es in Richmond gab, plünderte schon wieder mein Vogelhaus. Einen Moment lang schauten wir uns in die Augen, während seine pelzigen Kiefer wie wild kauten. Unter seinen Pfoten flogen die Sonnenblumenkerne nur so durch die Luft, und sein zerzauster weißer Schwanz stand wie ein zuckendes Fragezeichen vor dem blauen Himmel. Wir hatten uns im letzten Winter angefreundet, als ich am Fenster gestanden war und seine wiederholten Versuche beobachtet hatte, von einem Ast auf das Vogelhaus zu springen, wo es vom schrägen Dach langsam abrutschte und sich mit wild durch die Luft grapschenden Pfoten festzuhalten versuchte. Nach einer Reihe von spektakulären Stürzen hinunter zu Mutter Erde hatte Sammy schließlich doch den richtigen Dreh gefunden. Abund zu streute ich ihm draußen eine Handvoll Erdnüsse hin, und mittlerweile war es schon so weit gekommen, dass ich Angst um das Tier bekam, wenn es eine Zeitlang nicht zu sehen war. Umso erleichterter war ich, wenn Sammy wieder auftauchte und mich erneut ausraubte.
    Ich setzte mich mit einem Schreibblock und einem Stift

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