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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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verschiedene Sportmagazine. An den holzgetäfelten Wänden hingen wie in einer Verbrechergalerie die Fotografien von früheren FBI-Chefs, daneben Dienstmedaillen und eine Messingplatte, auf der die Namen der im Dienst gestorbenen FBI-Agenten eingraviert waren. Ab und zu öffnete sich die Eingangstür, und große, durchtrainierte Männer, die dunkelfarbige Anzüge und Sonnenbrillen trugen, gingen vorbei, ohne auch nur in meine Richtung zu blicken.
    Benton Wesley benahm sich manchmal genauso preußisch streng wie der Rest von ihnen, aber im Lauf der Jahre hatte er meinen Respekt gewonnen. Hinter dem eisenharten FBI-Gehabeverbarg sich ein freundlicher und interessanter Mensch. Er wirkte energisch und tatkräftig, selbst wenn er saß, und sah immer adrett aus in seinen schwarzen Anzughosen und seinem gestärkten weißen Hemd. Seine Krawatte war modisch schmal und perfekt gebunden, das schwarze Halfter aus Korbgeflecht an seinem Gürtel sah ohne die .38er, die er niemals im Büro trug, leer und verlassen aus. Ich hatte Wesley eine ganze Zeitlang nicht gesehen, aber er hatte sich nicht verändert. Er war sportlich und auf eine raue Art gutaussehend mit seinem vor der Zeit silbergrau gewordenen Haar, das mich bei jeder Begegnung mit ihm aufs Neue überraschte.
    »Tut mir leid, dass ich Sie warten ließ, Kay«, begrüßte er mich lächelnd.
    Sein Händedruck war vertrauenerweckend fest, ohne im Geringsten machoartig zu wirken. Manche Polizisten und Anwälte drücken einem die Hand zusammen wie eine hydraulische Presse und brechen einem fast die Finger dabei. »Marino ist hier«, fuhr Wesley fort. »Ich musste noch ein paar Sachen mit ihm durchgehen, bevor wir Sie hinzuziehen konnten.«
    Er hielt die Tür auf, und ich folgte ihm in einen leeren Gang. Er führte mich in ein kleines Büro und ging weiter, um Kaffee zu holen.
    »Gestern Nacht haben sie endlich den Computer wieder zum laufen gekriegt«, sagte Marino. Er lehnte sich in seinem Stuhl bequem zurück und studierte interessiert einen nagelneu aussehenden .357er Revolver.
    »Computer? Welchen Computer?« Hatte ich etwa meine Zigaretten vergessen? Nein. Sie waren wieder einmal ganz unten in meiner Handtasche.
    »Im Hauptquartier. Er stürzt alle paar Minuten ab. Zumindest habe ich jetzt endlich Ausdrucke von den Anzeigen. Sehr interessant. Jedenfalls meiner Meinung nach.«
    »Von Beryl?«, fragte ich.
    »Erraten!« Er legte die Waffe auf Wesleys Schreibtisch. »Nettes Ding. Der Glückspilz hat sie letzten Monat in Tampa beim Kongressder Polizeichefs in der Tombola gewonnen. Ich gewinne nicht einmal zwei Dollar in der Lotterie.«
    Meine Gedanken schweiften ab. Wesleys Schreibtisch war übersät mit Telefonnotizen, Berichten, Videobändern und dicken braunen Umschlägen voller Papiere und Fotos, die, wie ich annahm, zu Fällen gehörten, die ihm verschiedene Polizeidienststellen zur Durchsicht gegeben hatten. In einem Wandregal lagen hinter Glastüren ausgefallene Waffen. Ein Schwert, ein Schlagring, eine selbstgebastelte Pistole und ein afrikanischer Speer – Jagdtrophäen und Geschenke von dankbaren Schülern. Ein altmodisches Foto zeigte William Webster, wie er Wesley vor einem Hubschrauber der Marines die Hand schüttelte. Nirgendwo fand sich der kleinste Hinweis darauf, dass Wesley eine Frau und drei Kinder hatte. FBI-Agenten schirmen wie die meisten Polizisten ihr Privatleben eifersüchtig vor der Außenwelt ab, ganz besonders dann, wenn sie das Böse mit all seinen Schrecken kennengelernt haben. Wesley erarbeitete hauptsächlich Persönlichkeitsprofile von Tatverdächtigen. Er sah die Fotografien von unvorstellbar grausam abgeschlachteten Opfern und verhörte danach die Täter im Zuchthaus. Er hat Bestien vom Schlage eines Charles Manson und Ted Bundy Auge in Auge gegenübergesessen.
    Wesley kam mit zwei Styroportassen voll Kaffee für Marino und mich zurück. Wesley vergaß nie, dass ich den Kaffee schwarz trinke und immer einen Aschenbecher in meiner Nähe brauche. Marino nahm einen dünnen Stapel von fotokopierten Polizeiberichten von seinem Schoß und blätterte darin herum.
    »Zunächst einmal muss ich sagen, dass es nur drei sind. Drei Berichte, die wir archiviert haben. Der erste ist vom 11. März, neun Uhr dreißig. Beryl Madison hatte in der Nacht zuvor den Notdienst angerufen und verlangt, dass ein Beamter zu ihr ins Haus käme, um eine Anzeige aufzunehmen. Dem Anruf wurde nur eine niedrige Dringlichkeitsstufe beigemessen, was nicht weiter verwunderlich

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