Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
er mir geschenkt hatte, ausgezogen und ihm in die Muschelsuppe geworfen. Es war eine kindische Reaktion und einer der seltenen Momente in meinem leben gewesen, in denen ich vollkommen die Fassung verloren und eine Szene gemacht hatte.
»Schau«, sagte er und senkte seine Stimme. »Ich nehme es dir nicht übel, denn ich weiß, was du denkst. Aber es ist ganz anders. Ich nutze unsere Vergangenheit nicht zu meinem Vorteil aus. Bitte, hör mir wenigstens eine Minute lang zu. Das Ganze ist sehr kompliziert und hat mit Sachen zu tun, von denen du nichts weißt. Ich schwöre dir, dass ich nur dein Bestes will. Eigentlich dürfte ich gar nicht mit dir reden. Wenn Sparacino oder gar Berger etwas davon erfährt, macht er mir Feuer unter dem Hintern.«
Ich schwieg und war so verwirrt, dass ich nicht denken konnte. Er lehnte sich vor. »Denk bloß mal an Folgendes: Berger ist hinter Sparacino her, und jetzt ist Sparacino hinter dir her.« »hinter mir?«, stieß ich hervor. »Ich habe den Mann noch nie getroffen. Wie kann er da hinter mir her sein?«
»Auch das hat alles mit Beryl zu tun«, entgegnete Mark. »Sparacino war nämlich schon seit Beginn ihrer Karriere ihr Anwalt. Zu unserer Kanzlei ist er erst gestoßen, als wir unser Büro hier in New York aufmachten. Davor war er selbständig. Wir brauchten einen Anwalt, der ein Spezialist auf dem Gebiet des Medienrechts ist. Sparacino ist schon seit einunddreißig Jahren in New York und brachte eine Menge Mandanten mit. Erinnerst du dich, dass ich dir im Zusammenhang mit meinem treffen mit Beryl von einem Lunch im Algonquin erzählt habe?«
Ich nickte, und der Kampf in meinem Inneren flaute ab.
»Nun, die Geschichte war getürkt. Ich war nicht zufällig dort. Berger hat mich hingeschickt.«
»Wozu?«
Er blickte sich im Restaurant um und antwortete: »Weil Berger sich Sorgen macht. Die Kanzlei steht hier in New York erst am Anfang; weißt du, es ist fürchterlich schwierig, in dieser Stadt ein Bein auf die Erde zu bekommen, sich einen Kreis solider Mandanten und einen guten Ruf aufzubauen. Das letzte, was wir dabei brauchen können, ist ein Arschloch wie Sparacino, das den guten Namen unserer Kanzlei in den Schmutz zieht.«
Er verstummte, als der Kellner mit den Salaten erschien undfeierlich eine Flasche Cabernet Sauvignon entkorkte. Mark nahm den obligatorischen Schluck und ließ unsere Gläser vollschenken.
»Berger wusste, als er Sparacino einstellte, dass der Bursche ein wenig halbseiden war, dass er gern hoch pokerte und dabei auch manchmal verlor«, erklärte Mark. »Das ist nun mal Sparacinos Stil, könnte man meinen. Manche Anwälte sind vorsichtig, und andere wiederum machen eine Menge Lärm. Das Problem ist nur, dass Berger und ein paar andere von uns erst vor einigen Monaten herausfanden, wie weit Sparacino wirklich bereit war zu gehen. Sagt dir der Name Christie Riggs etwas?«
Es dauerte einen Moment, bis es bei mir klick machte. »Ist das die Schauspielerin, die den Footballstar geheiratet hat?«
Er nickte und fuhr fort: »Sparacino hat das Ganze eingefädelt und vom Anfang bis zum bitteren Ende inszeniert. Christie hat als Fotomodell, das nach oben wollte, hier in der Stadt ein paar Werbespots gedreht. Das war vor etwa zwei Jahren, als Leon Jones auf den Titelseiten aller Illustrierten abgebildet war. Die beiden trafen sich auf einer Party, und ein Fotograf schoss ein Bild, das zeigte, wie die beiden zusammen weggingen und in Jones’ Maserati stiegen. Wenig später saß Christie Riggs im Vorzimmer von Orndorff & Berger. Sie hatte einen Termin bei Sparacino.«
»Willst du mir weismachen, dass alles, was mit den beiden passierte, Sparacinos Werk war?«, fragte ich ungläubig.
Christie Riggs und Leon Jones hatten letztes Jahr geheiratet und waren sechs Monate später wieder geschieden worden. Ihre stürmische Ehe und die schmutzige Scheidung, die folgte, hatten Abend für Abend für Meldungen in den Nachrichtensendungen gesorgt.
»Ja«, bestätigte Mark und trank von seinem Wein.
»Erklär mir das.«
»Sparacino stürzt sich auf Christie«, sagte er. »Sie sieht toll aus, ist gescheit und ehrgeizig. Aber das Allerbeste an ihr ist, dass sie im Moment eine Affäre mit Jones hat. Und Sparacino hat schon ein fertiges Szenario für sie. Sie will berühmt werden. Und reich.Alles, was sie dafür tun muss, ist, Jones in ihr Netz zu locken und später vor laufenden Kameras schluchzend über das Privatleben mit ihm auszupacken. Sie beschuldigt ihn, sie geschlagen
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