Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
zu haben, und sagt ihm nach, dass er ein Säufer und Psychopath sei, der mit Kokain herummacht und die Einrichtung zerschlägt. Kurz darauf trennt sie sich von Jones und unterschreibt einen Buchvertrag über eine Million Dollar.«
»Da bekommt man ja direkt ein wenig Mitleid mit Jones«, murmelte ich.
»Das Schlimmste dabei ist, dass er sie vermutlich wirklich geliebt hat. Er war einfach nicht schlau genug, zu erkennen, wie übel ihm mitgespielt wurde. Sein Footballspiel wurde immer schlechter, und schließlich landete er in der Betty-Ford-Klinik. Seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört. Einer von Amerikas besten Quarterbacks wird übers Ohr gehauen und ruiniert, und indirekt trägt Sparacino die Schuld daran. Dieses Im-Schmutz-Herumwühlen und Verleumden ist nicht unser Stil. Orndorff & Berger ist eine traditionsreiche und berühmte Kanzlei, Kay. Als Berger Wind davon bekam, was sein Medienanwalt wirklich tat, war er nicht gerade glücklich darüber.«
»Warum wirft ihn deine Firma dann nicht einfach hinaus?«, fragte ich und stocherte in meinem Salat.
»Weil wir ihm nichts beweisen können, wenigstens im Moment noch nicht. Sparacino weiß, wie er sich überall herauswinden kann. Und er hat Einfluss, besonders hier in New York. Es ist, als halte man eine Schlange in der Hand. Wie lässt man sie fallen, ohne dass sie einen beißt? Und die Liste ist noch viel länger.« Ärger flammte in Marks Augen auf. »Wenn man Sparacinos beruflichen Werdegang zurückverfolgt und einige Fälle untersucht, an denen er noch allein gearbeitet hat, kann man wirklich nur noch den Kopf schütteln.«
»Was für Fälle, zum Beispiel?« Es war mir direkt unangenehm zu fragen.
»Jede Menge Prozesse. Wenn irgendein Schreiberling eine nichtautorisierte Biographie von Elvis, John Lennon oder Sinatrageschrieben hat und die Veröffentlichung kurz bevorsteht, verklagt der Prominente oder seine Nachkommen den Autor. Die Sache wird in den Talkshows und im People -Magazin breitgetreten. Das Buch kommt natürlich trotzdem heraus, und zwar mit jeder Menge kostenloser Publicity. Jeder will der Erste sein, der es gelesen hat, denn wenn das Buch so einen Wirbel verursacht hat, dann müssen auch wirklich saftige Dinge drinstehen. Wir haben nun den Verdacht, dass Sparacino sich darauf spezialisiert hat, den Autor eines solchen Buches zu vertreten und gleichzeitig dem Opfer unter der Hand Geld zu geben, wenn es einen Riesenskandal entfesselt. Es ist alles ein abgekartetes Spiel und klappt so gut wie immer.«
»Da fragt man sich, was man eigentlich noch glauben kann.« Eigentlich fragte ich mich das nicht erst seit heute.
Der Kellner servierte die Rumpsteaks. Als er damit fertig war, erkundigte ich mich bei Mark: »Wie, um alles in der Welt, konnte sich Beryl jemals mit ihm einlassen?«
»Über Cary Harper«, erwiderte Mark. »Das ist ja die Ironie bei der Geschichte. Sparacino vertrat Harper jahrelang. Als Beryl dann anfing zu schreiben, schickte Harper sie zu ihm. Sparacino hatte sie schon seit ihren Anfängen unter seinen Fittichen, als eine Mischung aus Agent, Rechtsanwalt und Pate. Ich glaube, dass Beryl irgendwie eine Schwäche für ältere Männer verspürte. Ihre Karriere verlief ja auch ziemlich glatt, bis zu dem Punkt, an dem sie sich entschloss, dieses autobiographische Buch zu schreiben. Ich vermute, dass Sparacino sie auf die Idee gebracht hat. Wie auch immer, Harper jedenfalls hatte seit seinem Pulitzerpreisroman nichts mehr veröffentlicht. Er ist Vergangenheit, eine lebende legende und für Typen wie Sparacino nur insofern noch von Interesse, als man vielleicht Kapital aus ihm schlagen kann.«
Ich überlegte. »Ist es möglich, dass Sparacino mit den beiden sein Spielchen trieb? Mit anderen Worten, Beryl beschließt, ihr Schweigen zu brechen – und damit auch den Vertrag mit Cary Harper –, und Sparacino spielt mit ihnen ein doppeltes Spiel. Hinter den Kulissen stachelt er Harper an, Ärger zu machen.«
Mark schenkte nach und antwortete: »Ja, ich glaube auch, dass er einen Schaukampf inszenierte, wobei weder Beryl noch Harper sich dessen bewusst waren. Wie ich schon sagte, so etwas ist genau sein Stil.«
Eine Weile aßen wir schweigend. Gallagher’s Steakhouse machte seinem Ruf alle Ehre. Das Rumpsteak zerging auf der Zunge. Schließlich bekannte Mark: »Schlimm daran ist, jedenfalls für mich, Kay« – er sah mich an, und sein Gesicht war auf einmal hart –, »als Beryl bei dem besagten Lunch im Algonquin erwähnte,
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