Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
dass sie jemand mit dem Tode bedrohe ...« Er zögerte. »Um die Wahrheit zu sagen, nach allem, was ich über Sparacino wusste ...«
»... hast du ihr nicht geglaubt«, beendete ich den Satz für ihn.
»Stimmt«, gestand er. »Ich habe ihr wirklich nicht geglaubt. Ganz offen gesagt, mir kam die Geschichte vor wie einer von seinen Publicity-Tricks. Ich hatte den Verdacht, dass Sparacino sie dazu überredet hatte, die ganze Geschichte zu inszenieren, um damit ihr Buch besser verkaufen zu können. Nicht genug, dass sie mit Harper im Streit lag, nein, obendrein wollte irgendjemand sie auch noch umbringen. Das, was sie erzählte, erschien mir nicht allzu glaubwürdig.« Er machte eine Pause. »Aber ich habe mich geirrt.«
»Sparacino wird doch nicht so weit gehen«, wagte ich anzudeuten, »oder willst du sagen ...«
»Ich glaube, dass Sparacino höchstens Harper so lange reizte, bis dieser ausrastete und so in Wut geriet, dass er zu ihr fuhr und total durchdrehte oder jemanden anheuerte, um sie zu ermorden.«
»Wenn das der Fall wäre«, entgegnete ich ruhig, »dann müsste er schon aus der Zeit, in der Beryl bei ihm lebte, eine ganze Menge zu verbergen haben.«
»Könnte sein«, gab Mark zu und lenkte seine Aufmerksamkeit auf sein Essen zurück. »Und selbst wenn er nichts zu verbergen haben sollte, kennt er zumindest Sparacino und seine Methoden. Dem ist es doch egal, ob etwas wahr ist oder nicht. Wenn SparacinoStunk machen will, dann macht er ihn, und später erinnert sich niemand an die Wahrheit, sondern nur an die Beschuldigungen.«
»Und jetzt ist er hinter mir her?«, fragte ich zweifelnd. »Das verstehe ich nicht. Was habe ich denn mit der Geschichte zu tun?«
»Eine ganze Menge. Sparacino will Beryls Manuskript haben, Kay. Das Buch ist jetzt, nach allem, was der Autorin zugestoßen ist, mehr denn je ein ganz heißes Eisen.« Er sah mich an. »Sparacino glaubt, dass deine Behörde das Manuskript erhalten hat, weil es ein Beweismittel darstellt. Und jetzt ist es verschwunden.«
Ich nahm mir noch etwas Sauerrahm und sagte betont ruhig: »Warum glaubst du, dass es verschwunden ist?«
»Sparacino hat irgendwie den Polizeibericht in die Finger bekommen«, sagte Mark. »Ich nehme an, dass du ihn auch gelesen hast?«
»Er war eigentlich nicht ungewöhnlich, reine Routine«, antwortete ich.
Mark half meinem Gedächtnis auf die Sprünge: »Auf der letzten Seite steht eine genaue Liste der registrierten Beweisstücke, und darunter befinden sich Papiere, die auf dem Boden des Schlafzimmers gefunden wurden, und ein Manuskript, das auf der Kommode lag.«
O Gott, dachte ich, natürlich. Marino hat ja tatsächlich ein Manuskript gefunden, auch wenn es das falsche war.
»Heute Morgen hat er mit dem ermittelnden Beamten gesprochen«, sagte Mark. »Einem Lieutenant Marino. Er erzählte Sparacino, dass die Polizei das Manuskript nicht hätte und dass alle Beweisstücke dem Labor in deinem Gebäude übergeben wurden. Er sagte, Sparacino sollte den Chief Medical Examiner anrufen, mit anderen Worten, dich.«
»Das war doch nur pro forma«, entgegnete ich. »Die Polizei schickt alle Leute zu mir, und ich schicke sie wieder zurück zur Polizei.«
»Versuch doch mal, das Sparacino zu erzählen. Er hält sichdaran, dass das Manuskript dir übergeben wurde, und zwar zusammen mit Beryls Leiche. Und jetzt ist es nicht mehr da. Er macht deine Behörde dafür verantwortlich.«
»Das ist ja lächerlich!«
»Wirklich?« Mark sah mich fragend an. Ich fühlte mich wie in einem Kreuzverhör, als er sagte: »Ist es dann nicht richtig, dass manchmal Beweisstücke zusammen mit der Leiche eingeliefert werden und du sie persönlich entgegennimmst, an die Labors weitergibst oder in deine Asservatenkammer sperrst?«
Natürlich stimmte das.
»Gehen die Beweise in Beryls Fall auch durch deine Hände?«, fragte er.
»Nicht die Beweisstücke, die am Tatort gefunden wurden, was bei persönlichen Papieren ja wohl der Fall ist«, antwortete ich gereizt. »Die Polizei hat sie den Labors übergeben und nicht ich. Tatsächlich dürfte sich der größte Teil der sichergestellten Beweisstücke aus ihrem Haus in der Asservatenkammer des Polizeipräsidiums befinden.«
Noch einmal sagte er: »Versuch das mal Sparacino zu erzählen.«
»Ich habe das Manuskript nie gesehen«, entgegnete ich nüchtern. »Meine Behörde hat es nicht und hat es auch nie gehabt. Und soweit ich weiß, ist es bisher überhaupt noch nicht aufgetaucht. Punkt.«
»Es ist
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