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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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drehten sich ständig im Kreis um ein und dieselbe Information. Cary Harper war ermordet worden. Als er vor einer Stunde von einem lokal in Williamsburg nach Hause kam und aus dem Auto stieg, wurde er angegriffen. Alles geschah sehr schnell und mit äußerster Brutalität. Wie schon Beryl Madison wurde auch ihm die Kehle durchgeschnitten.
    Außerhalb der Stadt war es sehr dunkel. Nebelbänke reflektierten das Abblendlicht meines Wagens. Ich konnte beinahe nichts mehr sehen, und der Highway, den ich schon unzählige Male befahren hatte, war mir auf einmal völlig fremd. Ich wusste nicht mehr genau, wo ich mich eigentlich befand. Als ich mir angespannt eine Zigarette anzündete, bemerkte ich, dass sich von hinten die Scheinwerfer eines Autos näherten. Ein dunkler Wagen, den ich nicht genau erkennen konnte, fuhr gefährlich nah auf und ließ sich dann langsam zurückfallen. Kilometer um Kilometer folgte er mir in immer gleichem Abstand, egal, ob ich beschleunigte oder langsamer wurde. Als endlich die richtige Ausfahrt kam, bog ich ab, und der Wagen hinter mir tat das Gleiche.
    An der unbefestigten Straße, in die ich als Nächstes einbog, befand sich kein Wegweiser. Die Scheinwerfer klebten immer noch an meiner hinteren Stoßstange. Ich hatte meine .38er zu Hause gelassen und nichts als die kleine Dose Tränengasspray in meiner Arzttasche, um mich zu verteidigen. Als hinter einer Biegung das große Haus auftauchte, war ich so erleichtert, dass ich laut »Danke, lieber Gott!« rief. In der halbkreisförmigen Auffahrt blinkten die Blau- und Rotlichter der dicht aneinander stehenden Polizei- und Rettungsfahrzeuge. Als ich parkte, bremste der andere Wagen, der immer noch hinter mir war, scharf ab und hielt an. Ich war völlig perplex, als Marino ausstieg und seinen Mantelkragen hochschlug.
    »Großer Gott!«, schrie ich gereizt. »Ich kann’s kaum glauben!«
    »Ganz meinerseits«, knurrte er. »Ich kann es auch kaum glauben.« Er schaute finster zu dem breiten Lichtkegel der hellen Scheinwerfer hinüber, die um einen alten weißen Rolls-Royce aufgestellt waren, der vor dem Hintereingang des Hauses stand.
    »Mist. Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Verdammter Mist!«
    Überall wimmelte es von Polizisten. Ihre Gesichter sahen in dem grellen, künstlichen Licht unnatürlich bleich aus. Motoren brummten, und Wortfetzen aus den Funkgeräten schallten durch die feuchtkalte Luft. Gelbes Markierungsband war an das Geländer der Hintertreppe gebunden und zog sich im Rechteck um den Tatort. Ein Polizist in Zivil, der eine abgewetzte braune Lederjacke trug, trat auf uns zu.
    »Dr. Scarpetta?«, fragte er. »Ich bin Detective Poteat.«
    Ich öffnete meine Arzttasche und nahm ein Paar Latexhandschuhe und eine Taschenlampe heraus.
    »Niemand hat die Leiche angerührt«, berichtete Poteat, »genau, wie Dr. Watts es angeordnet hat.«
    Dr. Watts war praktischer Arzt und zugleich einer von fünfhundert ehrenamtlichen Leichenbeschauern, die für meine Dienststelle über den ganzen Staat verstreut tätig waren. Er war auch eine der zehn schlimmsten Nervensägen, die ich kannte. DiePolizei hatte ihn am frühen Abend an den Tatort gerufen, und er hatte mich sofort informiert. Es war Vorschrift, den Chief Medical Examiner zu benachrichtigen, wenn eine Person des öffentlichen Interesses plötzlich oder unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Watts pflegte, wenn er konnte, sich vor einem Fall wie diesem zu drücken, ihn weiterzugeben oder zu ignorieren, weil er sich nicht mit mühevollem Papierkrieg belasten wollte. Er war bekannt dafür, dass er an einem Tatort einfach nicht erschien, und auch jetzt konnte ich keine Spur von ihm entdecken.
    »Ich kam fast gleichzeitig mit den Streifenwagen hier an«, erklärte Poteat. »Ich habe aufgepasst, dass die Jungs nichts durcheinanderbrachten. Niemand hat ihn umgedreht, seine Kleider berührt oder sonst irgendetwas an der Leiche gemacht. Er war schon tot, als wir eintrafen.«
    »Vielen Dank«, erwiderte ich geistesabwesend.
    »Es sieht so aus, als habe ihm jemand den Schädel eingeschlagen und ihn mit einem Messer verletzt. Vielleicht wurde er auch erschossen, denn wir haben überall Schrotkugeln entdeckt. Sie werden es ja gleich selber sehen. Bis jetzt haben wir noch keine Waffe gefunden. So, wie es aussieht, ist er gegen Viertel nach sieben angekommen und hat sein Auto dort abgestellt, wo es jetzt immer noch steht. Offensichtlich wurde er angegriffen, als er aus dem Auto stieg.«
    Er blickte

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