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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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ich froh um seine Diskretion. Was hätte ich ihm denn auch antworten sollen?
Was hätte es geändert an meiner Lage, die manchmal so bitter nach zerbrochenen
Träumen schmeckte?
    Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch seine eigenen Erfahrungen
machen muss. Erfahrungen können nicht vererbt werden. Als Eltern wollen wir es
immer besser machen. Indem wir das Gegenteil von dem tun, was uns vorgelebt
wurde, begehen wir oft die größten Irrtümer. Mein Vater wollte mir bewusst
keine Grenzen setzen, da er selbst unter seinem extrem strengen Vater gelitten
hatte. Und meine Mutter … mit ihr hätte ich reden können, von Frau zu Frau. Von
Freundin zu Freundin.
    Emira hat helle Haut und grüne Augen wie ich. Man sieht ihr die
arabischen Wurzeln nicht an, und so beschloss ich, sie auch nicht zu
thematisieren. In einer Großstadt wie Düsseldorf hätte ich in einem anderen
Viertel noch einmal von vorn beginnen können. Dort gab es Tausende von
Kinderwagenfrauen und viele Spielplätze. In dem kleinen Ort, in dem wir
wohnten, hatte ich keine Wahl. Auch wenn ich das Leben mit Emira genoss, fühlte
ich mich tagsüber oft allein und sehnte mich nach Farid. Wenn er nach Hause
kam, war es so anders, als ich es mir erträumt hatte, und ich atmete auf,
sobald ich ihn am nächsten Morgen am Bahnhof abgesetzt hatte. Doch bald schon
sehnte ich mich wieder nach ihm.
    Eines Tages sprach mich eine Nachbarin an. Als sich herausstellte,
dass sie auch Tina hieß, ließ ich meine Zurückhaltung fallen. Was für eine sympathische
Gemeinsamkeit! Tina war eine alleinerziehende Mutter und wohnte mit ihren drei
Kindern im Erdgeschoss. Sie war eine Frohnatur, die aus allem immer das Beste
machte und viele Leute kannte. Zu ihrem vierzigsten Geburtstag plante sie eine
Riesenfete und lud mich ein – ausdrücklich mit Farid.
    »Bitte lass uns dorthin gehen!«, flehte ich
ihn an. »Mit dem Babyfon ist das überhaupt kein Problem!«
    »Ich gehe nicht zu einer Frau, die ohne Mann lebt.«
    »Aber dafür kann sie doch nichts! Er hat sie verlassen.«
    »Er wird seine Gründe gehabt haben.«
    »Dann gehe ich eben alleine!«, rief ich in
der Hoffnung, er würde mich angesichts einer solchen Drohung begleiten. Doch
Farid nickte bloß, er wirkte direkt erleichtert.
    Ich wollte nicht ohne ihn ausgehen, aber dies war nun eine Frage der
Ehre. Wenn er damit rechnete, dass ich zu Hause blieb, hatte er sich getäuscht!
    Am Abend der Party zog ich mich hübsch an, legte auch etwas Make-up
auf und ließ Farid noch einmal wissen, was für eine tolle Erfindung ein Babyfon
sei. Er sagte nichts, doch an seinen Blicken konnte ich deutlich erkennen, dass
er mein Benehmen verwerflich fand. Eine verheiratete Frau, die ohne ihren Mann
zu einer Party ging! Haram!
    Tinas Gäste fragten nach meinem Mann. Keiner äußerte Misstrauen
wegen seiner Herkunft, im Gegenteil, sie wollten Farid in ihren bunten Kreis aufnehmen.
    »Er hat so viel zu tun«, sagte ich anfangs, doch dann entschied ich
mich für die Wahrheit. »Er will nicht.«
    »Will nicht gilt nicht«, beschloss einer der Gäste und klingelte
kurz entschlossen an unserer Tür, um Farid persönlich einzuladen. Wie sich
herausstellte, kannte er ihn flüchtig, weil Farid schon mehrfach in seinem
Computerladen eingekauft hatte.
    »Er will tatsächlich nicht«, teilte mir der Mann mit, als er
unverrichteter Dinge zurückkehrte, und an seinem verwirrten Gesicht konnte ich
ablesen, dass Farid die Freundlichkeit, mit der ihm begegnet worden war, mit
Füßen getreten hatte. Ich schämte mich für meinen Mann und konnte die Party
nicht mehr so genießen, wie ich es mir gewünscht hatte, zumal ich Farids
Empörung durch die Stockwerke hindurch zu spüren glaubte.
    Bedrückt verabschiedete ich mich kurz
darauf und wurde so kalt und verächtlich empfangen wie erwartet. Farid wollte
nichts mit Deutschen zu tun haben. Die teuren Medikamente für seine Hepatitis-Therapie
durften sie ihm schon bezahlen, dachte ich wütend, aber Freundschaften wollte
er keine schließen.
    Meine einzige Freundin Tina war ein rotes Tuch für ihn. Sie war
keine ehrwürdige Frau, und wenn ich so weitermachte, würde das auf mich
abfärben. Womöglich merkte ich das selbst gar nicht! Gut, dass er auf mich
aufpasste …
    »Aber nein!«, verteidigte ich Tina. »Sie
ist eine ganz toughe, mutige Person, allein mit ihren drei Kindern.«
    Höhnisch lachte er mir ins Gesicht. »Was soll daran toll sein! Eine
Schlampe ist sie. Ich dulde nicht, dass meine Frau in

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