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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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Idee, Emira.« Ich parkte
vor unserem Haus, rannte nach oben, riss eine Tasche an mich und warf mehr oder
weniger wahllos Klamotten hinein.
    Auf einmal hörte ich es. Knall. Die Tür. Und dann sein Stampfen auf
der Treppe. Schlagartig war mir so übel, dass ich befürchtete, mich auf der
Stelle zu übergeben. Während ich unsere Pässe und einige wichtige Unterlagen in
das Seitenfach der Tasche steckte, drückte ich die Nummer von Tarek auf meinem
Handy.
    Farid im Türrahmen musterte mich hasserfüllt. »Was machst du da?«
    »Ich …«
    »Mama!«
    Farid packte Emira. Sein Gesicht sah verzerrt aus. Er hob sie hoch.
Sie wehrte sich.
    »Lass sie runter«, sagte ich.
    »Sie ist meine Tochter.« Seine Stimme klang
eisig.
    »Du lässt sie sofort los.«
    Emira brüllte.
    Da kam Tarek. Er musste ganz in der Nähe des Hauses gewesen sein!
Mit einem Blick erkannte er den Ernst der Lage. Langsam ging er zu Farid und
nahm ihm Emira ab. Die beruhigte sich, als sich der harte Griff ihres Vaters
löste, schluchzte aber pausenlos: »Mama! Mama!«
    »Ich bringe sie zu mir nach Hause«, beschloss Tarek. »Wir treffen
uns alle dort und klären die Situation.«
    Mit Emira verließ er das Haus. Ich rannte ihm nach und fuhr mit
meinem Auto so dicht an seinem, dass ich Emiras Verzweiflung auf dem Rücksitz
nicht nur spüren, sondern auch sehen konnte. Fieberhaft überlegte ich, was ich
tun sollte. Was würde es verändern, wenn ich mit Tarek und Farid sprach?
    In mir war keine Hoffnung mehr, ich war völlig ernüchtert.
    Es würde sein wie immer. Tarek als Farids ältester Bruder würde ihn
an seine Pflichten gegenüber seiner Familie erinnern, und dann sollten wir nach
Hause gehen und uns wieder gut vertragen. Ich wollte aber nicht nach Hause, es
gab kein Zuhause mehr für mich mit Farid. Ich hatte Todesangst vor ihm. Ich bring dich um , hatte er mir das nicht erst gestern
angedroht? Sein Gesicht kam mir vor wie eine hasserfüllte Fratze, ein Fremder
war er, der keine Ähnlichkeit mehr mit meinem Ehemann hatte.
    Als Tarek seinen Wagen geparkt hatte, rannte Emira zu mir. Ich
öffnete ihr die Wagentür, sie sprang ins Auto, und ich startete durch. Lange
Zeit schaute ich häufiger in den Rückspiegel als nach vorne. Niemand folgte
uns.
    Wohin?
    Was tun?
    Wieder sagte ich die magischen Ziffern auf. Überlegte. Wusste nicht,
ob es richtig war, doch was sonst sollte ich tun? Ich
kannte kaum jemanden in Tunesien, und vor allem niemanden, der bereit gewesen
wäre, mir zu helfen. Konnte Mohamed mir denn helfen? Das wusste ich nicht, doch
ich glaubte zu spüren, dass er es tun würde, wenn er nur könnte. Er hatte mir
seine Handynummer gegeben, weil er ein wahrer Freund war und ahnte, dass ich
Hilfe brauchte. Sobald ich an ihn dachte, wurde mir warm ums Herz. Ich wusste
so wenig von diesem Mann aus den Bergen und vertraute ihm dennoch.
    Kurz entschlossen rief ich ihn an. »Es ist etwas Schlimmes passiert.
Farid ist total durchgedreht. Wir sind abgehauen. Ich weiß nicht, was ich tun
soll.«
    »Komm zu mir.«
    »Das geht nicht. Es ist zu gefährlich. Farid könnte mich sehen.«
    »Warte kurz.«
    Er redete mit jemandem und beschrieb mir den Weg zu einer Wohnung,
wo wir uns treffen sollten.
    In diesem Moment dachte ich nicht darüber nach, dass ich Mohamed in
große Gefahr brachte. Ich konnte nicht denken. Später erfuhr ich, dass seine
beiden Freunde, die bei meinem Anruf in seinem Laden Backgammon spielten, mit
Engelszungen auf ihn eingeredet hatten.
    »Du läufst ins offene Messer!«, hatte Gemai
schließlich verzweifelt gerufen. »Sie ist die Frau von einem Arzt. Das geht
nicht! Es geht alles sowieso nicht, aber das geht doppelt nicht!«
    »Ich muss ihr helfen, Gesetz hin oder her.«
Mohamed blieb unbeirrbar, ich hätte es genauso getan, für ihn, für einen
Freund. Doch ich war ein anderes Leben gewohnt. In Deutschland gab es keine starren
Verhaltensregeln, die einem untersagten, einem Menschen in Not zu helfen. Was
nicht hieß, dass jeder dazu bereit gewesen wäre.
    Später gestand Mohamed mir, dass mein Anruf ihm eine Chance eröffnet
hatte, auf die er im Stillen seit Monaten wartete. Seine Zuneigung zu mir verlieh
ihm nun die Kraft eines Löwen.
    Wir trafen uns in einer kleinen Wohnung, in der ein Freund von
Mohamed lebte, der Emira und mir die Tür öffnete. Mohamed war schon vor uns
eingetroffen, er begrüßte mich mit einem förmlichen Händedruck, bei dem er
höflich an mir vorbeisah, und ließ mich dann wissen, dass er einen

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