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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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starrte auf die Türklinke, die sich wie
von Geisterhand ruckartig bewegte. Rauf und runter. Rauf und runter. Hinter der
verschlossenen Tür schrie Emira wie am Spieß.
    Mit einem bedrohlichen Gesichtsausdruck näherte Farid sich mir. Mein
Handy hielt er in der Hand. Warf es in die Luft, fing es wieder auf, warf es in
die Luft, fing es wieder auf.
    »Mama! Mama! Mama!«
    Als Farid bei mir war, fühlte ich Dankbarkeit dafür, dass er unsere
Tochter eingesperrt hatte. So etwas sollte kein Kind mit ansehen müssen.
    Danach wusch er sich die Hände und ging weg. Ich hustete und
keuchte. Auf allen vieren kroch ich zu Emiras Zimmertür, sperrte sie auf. Sie
stürzte mir in die Arme.
    »Mama! Mama! Du blutest! Warum blutest du denn?«
    »Schnell!«
    »Mama, du zitterst.«
    »Emira, wir müssen weg von hier.«
    Mühsam stand ich auf. Ich versuchte mich zu konzentrieren. Doch ich
schaffte es nur, an den Autoschlüssel zu denken.
    »Mama, in der Küche ist lauter Blut!«
    Hoffentlich war der Wagen vollgetankt.
    »Schnell, Emira, schnell!«
    Unterwegs rief ich eine ehemalige Reiseleiterkollegin an, die
mittlerweile mit einem leider sehr konservativen Tunesier verheiratet war.
Alice stammte aus Luxemburg, doch sie sprach, wie fast alle ihrer Landsleute,
perfekt Deutsch. Sie hätte mir wirklich gern geholfen, wie ich an ihrem
betroffenen Blick sah. Doch sie traute sich nicht. Farid war ein mächtiger Mann
auf der Insel. Seine Verbindungen, so munkelte man, reichten bis in die
Regierung.
    »Aber dein Mann ist doch auch mächtig!«,
rief ich verzweifelt.
    Am Telefon sprach sie mit ihm und erhielt die Erlaubnis, mich eine
Nacht »bis morgen früh um acht Uhr« bei sich aufzunehmen.
    »Danke«, schluchzte ich erleichtert, denn das erschien mir wie eine
Rettung. Ich konnte nicht mehr klar denken, schon gar nicht über einen Tag hinaus – und das sollte noch monatelang so bleiben.
    Ich duschte, wurde mit frischen Klamotten versorgt, und dann bekamen
Emira und ich ein liebevoll zubereitetes Essen serviert. Wir brachten beide
kaum einen Bissen hinunter.
    »Mein Mann sagt«, meinte Alice, als Emira vor dem Fernseher saß,
»das Problem ist, dass das Recht auf Farids Seite ist. Du als seine Ehefrau
darfst eure gemeinsame Wohnung ohne seine Erlaubnis nicht verlassen.«
    Ich wusste es, schließlich war ich nach tunesischem Recht in seinen
Besitz übergegangen. Doch was das wirklich bedeuten konnte, das begriff ich
erst jetzt. Alles in mir zog sich zusammen. Tief in meinem Innersten hoffte
ich, in einem Albtraum gefangen zu sein. Das konnte, durfte doch nicht die
Wirklichkeit sein.
    Am nächsten Morgen bedankte ich mich sehr bei Alice. Ich gab
mich mutiger, als ich mich fühlte. Kaum im Auto, brach die Verzweiflung wieder
aus mir heraus. Wohin sollten wir jetzt? Wohin? Als Erstes musste ich ein paar
Sachen aus unserer Wohnung holen. Vor allem unsere Pässe, aber ich traute mich
nicht nach Hause. Da fiel mir Mohamed ein. Laut sagte ich seine Telefonnummer
auf. Emira fiel mir ins Wort und verdrehte die Reihenfolge der Zahlen.
    »Nicht!«, rief ich verzweifelt.
    Erschrocken schlug sie sich die Hand auf den Mund. Sie war es nicht
gewöhnt, dass ihre Mutter so mit ihr sprach. »Entschuldige, mein Liebling. Mama
ist ein bisschen durcheinander!«
    Ich wiederholte die Zahlen flüsternd und war nun unsicher, ob die
Reihenfolge stimmte. Mit meinen Telefonaten musste ich sparsam sein, ich hatte
nicht mehr viel Geld auf meiner SIM -Card.
    Mohamed meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
    »Hier ist Tina. Bitte sag mir schnell, ob Farid in der Praxis ist.
Steht sein Auto vor der Tür?«
    »Wollt ihr heute Elsa besuchen?«
    »Nein. Ich möchte wissen, ob Farid da ist. Das siehst du doch von
deinem Laden aus.«
    Pause.
    »Ob …«, wollte ich noch einmal fragen.
    »Er ist vor fünf Minuten gekommen«, gab Mohamed mir Auskunft.
    »Danke!«
    Ich gab Gas. Unterwegs instruierte ich Emira. »Du packst in deinem
Zimmer ganz schnell alles ein, was wirklich wichtig ist. Du …«
    »Mama, ist meine Lockenpuppe wichtig?«
    »Wenn du sie lieb hast.«
    »Und mein Glitzer- T -Shirt?«
    »Das gefällt dir gut?«, fragte ich betont
locker, um eine entspannte Stimmung zu signalisieren, während sich in mir alles
zusammenzog.
    »Ja. Und vielleicht noch mein Fahrrad? Aber das steht gar nicht in
meinem Zimmer. Mama, meinst du auch Sachen, die nicht in meinem Zimmer sind?«
    »Nein. Erst mal nur das, was in deinem Zimmer ist.«
    »Meine Malsachen?«
    »Das ist eine gute

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