Flucht in die Hoffnung
zurückbrachte.
Probieren Sie es aus! Sie können ja jederzeit
zurück.
Ich schon … aber was wäre mit Emira? Alles in mir zog sich zusammen.
Zu dem Gerichtstermin wurde mein Ehemann ebenfalls einbestellt.
Ich war nur noch ein Nervenbündel, denn Farid ließ mich überwachen. Eine Woche
vor dem Gerichtstermin hatte der SMS -Terror
begonnen. Farid schickte mir ständig SMS , auf denen
jeweils der Ort stand, wo ich mich im Moment befand. Souk
Lybia, Hotel Yasmina, Marina, Rue Zidi Monsur. Damit wollte er mir zeigen,
dass er die Kontrolle über mich hatte, immer haben würde, egal, was ich zu unternehmen
gedachte. Offenbar hatte er Spione auf mich angesetzt. So gut ich auch
aufpasste: Niemals bemerkte ich einen Verfolger.
In der Nacht vor dem Gerichtstermin tat ich kein Auge zu. Vor
Gericht erschien ich mit Kopftuch und Schleier, um meine Seriosität unter
Beweis zu stellen.
»Mein Mann hat mich geschlagen, deshalb habe ich die Wohnung
verlassen.«
»Sie ist eine Prostituierte, eine schlechte Frau und eine schlechte
Mutter.«
»Mein Mann lügt.«
»Meine Frau lügt. Niemals habe ich sie geschlagen.«
Der Richter wandte sich mir zu. »Haben Sie Beweise dafür, dass Ihr
Mann die Hand gegen Sie erhoben hat?«
Ich schüttelte den Kopf. Wie sollte ich die Narben auf meiner Seele
belegen?
Meine beiden Zeugen, die ich hätte benennen können, würden mir nicht
helfen. Tarek würde niemals für mich und damit gegen seinen eigenen Bruder
aussagen. Und unser ehemaliger Vermieter hatte nicht direkt gesehen, wie Farid
mich geschlagen hatte, er hatte mich lediglich bei sich aufgenommen, als ich
schreiend aus der Wohnung gerannt war, was er allerdings bezeugen würde, wie er
mir versichert hatte. Doch da hätte ich genauso gut Mohamed als Zeugen benennen
können, der hatte das damals ebenfalls mitgekriegt, wie ich seit Kurzem wusste.
Die Schreie einer Frau in der Nacht … wer war das? Die Frau vom Arzt … das
Gerücht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Alle hatten es gewusst, und niemand
hatte mir geholfen.
Mohamed hatte darunter gelitten. Doch er hatte keine Möglichkeit
gesehen einzuschreiten, denn ich gehörte zu Farids Besitz. Außerdem war es in Tunesien
nicht unüblich, dass Frauen geschlagen wurden, wie ich erst kürzlich erfuhr.
»Haben Sie nach den Züchtigungen Ihres Ehegatten ein Krankenhaus
aufgesucht?«, fragte der Richter. »Gibt es
Krankenakten, Fotos, Protokolle? Waren Sie bei der Polizei?«
Wieder schüttelte ich den Kopf. Tarek hatte mich mehrfach gebeten,
das zu unterlassen, da Farid sonst große Probleme bekommen könnte. Womöglich
würde ihm seine Zulassung als Arzt entzogen werden, dann könnte er kein Geld
mehr verdienen, und das wäre doch bestimmt nicht in meinem Sinne?
Farid beschuldigte mich, Verhältnisse mit den Reitern vom Strand
eingegangen zu sein. Das war eine beliebte Behauptung bei solchen Gerichtsterminen:
Die Reiter standen im Ruf, Frauen häufiger zu wechseln als ihre Pferde. Ich
hatte keine Ahnung, ob Farid von Mohameds Zuneigung mir gegenüber wusste,
vermutete allerdings, dass er ihn nicht erwähnen würde, da es eine Schande für
ihn wäre anzugeben, dass er seine Frau verdächtigte, mit einem Gemüsehändler
durchgebrannt zu sein. Die Reiter vom Strand waren ausnehmend attraktive
Männer, sie standen hoch im Kurs bei Touristinnen. Und letztlich war ich das
doch, oder?
Das Gericht teilte uns mit, dass es seine Entscheidung beizeiten
bekannt geben würde.
Am nächsten Tag besuchte mich Mohamed in seiner Mittagspause. Wir
beschlossen, mit Emira in ein schönes Hotel zu fahren, wo sie im Kinderschwimmbecken
plantschen konnte und wir uns nicht beobachtet fühlen mussten. Wie vor allen Nobelhotels
gab es in der Auffahrt ein Securityhäuschen mit einem Schlagbaum. Ich hielt an,
damit der Wachmann einen Blick in mein Auto werfen konnte, da wurde die
Beifahrertür aufgerissen und Mohamed auf die Straße gezerrt. Farid!
Mohamed war so geschockt, dass er sich nicht wehrte. Farid
schüttelte und beschimpfte ihn. Als der Wachmann eingreifen wollte, rief Farid
ihm etwas zu, und der Mann schaute weg. Emira hatte sich panisch auf den Boden
geworfen, das Gesicht auf die Beine gepresst. Sie kreischte und hielt sich
gleichzeitig mit den Händen die Ohren zu. Da gelang es Mohamed, sich
loszureißen, er sprang zurück ins Auto, und ich fuhr mit Vollgas davon. Ich
wusste nicht, wohin. Nur weg!, dachte ich verzweifelt
und nahm die nächste Straße nach Süden. Wir zitterten beide und
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