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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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brachten
kilometerlang kein Wort heraus. Emira wimmerte leise und war kaum zu trösten.
Immer wieder schaute ich in den Rückspiegel. Würde Farid seine Kontakte zur
Polizei aktivieren? Würden sie uns festnehmen? Eine verheiratete Frau durfte
nicht nach Lust und Laune mit einem fremden Mann spazieren fahren, schon gar
nicht gegen den Willen ihres Gatten.
    Schließlich erreichten wir die Landbrücke nach Zarzis, den
Römerdamm. Wie oft war ich hier entlanggefahren, den Kangoo und später den Laguna
voll beladen mit Farids Bestellungen. Hoffnung hatte ich auch im Gepäck gehabt
und Liebe, doch die waren mit Füßen getreten worden und schließlich erloschen.
    Mohamed lotste mich in seine Heimat nach Dkhile Toujane. Zum
Glück war der Tank voll. Wir hatten kein Gepäck, schließlich waren wir
aufgebrochen, um einen Kaffee zu trinken.
    Bald änderte sich die Landschaft, als wir die Oase Zarzis hinter uns
ließen. Die Gegend wurde karger und eintöniger, die Häuser einfacher und
kleiner. Wir redeten kaum, so tief saß der Schreck über das Vorgefallene.
    Überhaupt lud die Landschaft nicht zum Reden ein. An anderen Tagen
hätte ich den Ausblick genossen. Es war eine beeindruckende Gegend, karg und
von der Sonne versengt. Seit Jahren fiel immer weniger Regen in den
Wintermonaten, wenn überhaupt. Brunnen waren versiegt, und die jungen Männer
wanderten ab nach Djerba oder Zarzis, weil sie meist vergeblich hofften, dort
Arbeit zu finden und die Familie zu ernähren.
    Ganze Dörfer lagen verlassen da, nur hier und dort ein Zeichen von
Leben. Ziegen, die an den steilen Hängen herumkletterten und an dem mageren
Bewuchs rupften. Ein kleiner Junge, der Rosmarin pflückte, um ihn den wenigen
Touristen, die hierherkamen, für ein paar Münzen zu verkaufen. So weit das Auge
reichte, erstreckten sich die Berge, lehmfarben, von rötlichem Gestein
durchsetzt. Weit dahinter lag die Steppe, das Land der Berber, und danach kam
nichts als Sand. Es war eine herbe Schönheit entlang des Weges, und mit jeder
Serpentine, die wir hinter uns brachten, rückte Farid ein kleines Stückchen
weiter weg.
    Mohameds Onkel Mohammed empfing uns zwei Stunden später herzlich
und machte so viele Späßchen mit Emira, dass sie das Vorgefallene vergaß und
fröhlich zurückkitzelte, bis Mohamed und sein Onkel lachend alle viere von sich
streckten. Mohammed wohnte in einem für die Gegend komfortablen Haus, es gab
sogar eine Toilette und eine Dusche. Der jüngere Bruder seiner Mutter war für
Mohamed stets ein Freund gewesen, nur wenig älter als er selbst.
    Als Emira schlief, überlegten wir zu dritt, was wir tun sollten. Mein
Gehirn war wie blockiert. Ich wusste nur eins: Ich wollte so viele Kilometer
wie möglich zwischen mich und Farid bringen. Und ich war nicht mehr allein auf
meiner Flucht. Mohamed hatte nun auch allen Grund, sich zu verstecken. Bald
sollten wir erfahren, dass Farid ihn angezeigt hatte. Jetzt wurden wir beide
von der Polizei gesucht.

WOHNEN IN HÖHLEN
    In die Gegend in den Bergen verirrten sich nur selten Individualtouristen,
denn wer hierherkam, hatte sich wirklich verirrt. Dennoch waren Touristen
nichts Ungewöhnliches. Sie kamen in Reisebussen, stiegen aus, fotografierten
mit offenem Mund, weil sie so etwas noch nie gesehen hatten, bekamen Tee
serviert und wurden wieder abtransportiert.
    Die Gegend von Mathmata ist berühmt für ihre beeindruckende
Landschaft: karg, bergig, voller Dornengestrüpp, hin und wieder ein Olivenhain,
Palmen.
    Mohameds Onkel hatte uns empfohlen, mit dem Mann an der Poststation
zu sprechen, er könnte uns vielleicht weiterhelfen. Als wir unsere Geschichte
erzählt hatten, entschuldigte er sich für seinen fehlenden Mut, doch er habe
Angst, uns bei sich zu beherbergen. Er riet uns, es bei Bechir zu versuchen,
einem Greis, der in den Bergen in einer Höhlenwohnung lebte. Vielleicht würde
er heimlich Fremde bei sich aufnehmen.
    In Tunesien machte man sich strafbar, wenn man Übernachtungsgäste
nicht bei der Polizei meldete. Jeder Besuch musste registriert werden. Leichter
hätten wir es Farid nicht machen können. Wir waren darauf angewiesen, jemanden
zu finden, der uns »schwarz« bei sich übernachten ließ.
    Bechir zögerte keine Sekunde und nahm uns herzlich bei sich auf, was
das harte Nachtlager auf dem Steinboden mehr als milderte. Trotz meiner
tiefsitzenden Angst fühlte ich mich reich beschenkt, diese wunderbaren Menschen
kennenlernen zu dürfen, die uns selbstlos halfen und ihre einfachen

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