Flucht in die Hoffnung
Licht, denn mein Renault Laguna mit dem deutschen Kennzeichen
fiel in dieser Gegend zu sehr auf. Der Druck von Farids Anzeige gegen Mohamed
lastete schwer auf uns. Verzweifelt besprachen wir unsere Situation und
entschieden nach langem Hin und Her, uns zu stellen.
Mohameds Onkel Mohammed begleitete uns zu einer Polizeistation, wo
ich zu Protokoll gab, dass Mohamed mich nicht entführt, sondern mir geholfen
hatte, als mein Mann mich schlug. Da ich somit Farids Anzeige widersprach,
nahmen die freundlichen Polizisten Mohamed nicht fest. Wir waren weit entfernt
von Farids Einflussbereich, diese Beamten hatte er nicht unter Kontrolle. Die
Polizisten schrieben einen Bericht und teilten uns mit, dass wir gehen könnten,
wohin wir wollten, allerdings sollten wir uns an jedem Ort bei der Polizei
melden.
Mohamed und ich beschlossen, uns für eine Weile zu trennen. Als
verheiratete Frau machte ich mich in seiner Gegenwart strafbar. Wir konnten
nicht irgendwo eine Wohnung mieten, legal hätten wir nicht einmal ein
Hotelzimmer buchen dürfen.
Sein Onkel schlug vor, dass Mohamed mit zu ihm kommen solle, während
Emira und ich in ein kleines Höhlenhotel zogen. Die Trennung von Mohamed fiel
mir sehr schwer, denn seine Gegenwart gab mir den Halt, den ich seit Jahren
vermisst hatte. Ich konnte ihm vertrauen, und mehr noch, mich auf ihn
verlassen. In den vergangenen Tagen hatte sich mein Gefühl von Freundschaft in
etwas Tieferes verwandelt. Doch es war noch zu früh, sich wieder richtig zu
verlieben. Farids Schatten hing nach wie vor über mir, und solange ich mich auf
tunesischem Boden befand, musste ich die Scheidung abwarten.
Wenigstens konnte ich endlich mal wieder richtig duschen, sagte ich
mir, als wir das Hotel erreichten. Da wir uns in dem Hotel anmelden mussten,
befürchtete ich, Farid könnte unseren Aufenthaltsort erfahren und Emira
entführen. Also beschlossen wir, dass meine Tochter bei Mohameds Eltern
unterkommen sollte.
Tagsüber fuhr ich ebenfalls zu Mohameds Eltern, wo mir das Herz
aufging, wenn ich Emira und Nawres beim Spielen zusah. Wenn es dämmerte, kehrte
ich in mein Hotel zurück. Ich entspannte mich ein wenig, denn es war
unwahrscheinlich, dass Farid Emira finden würde. Mohameds Nachname war ein
anderer als der, unter dem seine Familie in der Gegend bekannt war. So ist es
gelegentlich auch bei uns. Jemand heißt Schmitt, aber wenn man ihn in einer
bestimmten Gegend finden will, darf man nicht nach Familie Schmitt fragen,
sondern beispielsweise nach der alten Mühle.
Als ich mich einigermaßen erholt hatte und meine Panik abflaute,
überlegte ich, wie es nun weitergehen sollte. Scheidung und Sorgerecht, darum
kreisten meine Gedanken. Ich beschloss, zurück nach Djerba zu fahren und dort
eine solide Existenz für mich und Emira aufzubauen. So konnte ich dem Gericht
zeigen, dass ich das Sorgerecht verdiente, über das in den nächsten Monaten verhandelt
würde. Farid hatte sich bereits einen Anwalt genommen, auch ich würde
rechtlichen Beistand benötigen.
Über Alice, die luxemburgische Kollegin, die mir schon einmal
geholfen hatte, bekam ich Kontakt zu einem Notar, der mir eine helle und
komfortable Wohnung in seinem neu gebauten Haus auf Djerba vermietete. Das
erschien mir als solide Basis – denn wer war seriöser als ein Notar?
IN DER WÜSTE
Im August 2007 bezogen Emira und ich unser erstes eigenes
Zuhause in Tunesien: drei Zimmer, Küche, Bad. Im Innenhof gab es sogar einen
Stellplatz für mein Auto. Wir begannen bei null – fast ohne Möbel, doch das
belastete mich weniger. Wichtiger war es, einen Platz für Emira in einer guten
Vorschule zu finden.
Doch meine Tochter wollte nicht in die Vorschule. Sie wollte nicht
weg von mir. Emira wirkte verstört, offensichtlich hatte sie Angst vor den
fremden Kindern und Erzieherinnen. Ich musste stets daran denken, was sie in
letzter Zeit alles hatte durchstehen müssen, und wollte ihr die Möglichkeit
geben, endlich einmal unbeschwert zu spielen. »Schatz, das wird sicher toll in
der Schule.«
»Ach, Mama, können wir nicht zurück in die Berge?«
»Nein, Emira, das geht nicht.«
»Ich will zu Nawres!«
»In den Ferien besuchen wir sie.«
»Mama, wann sind Ferien?«
»Bald«, sagte ich. »Jetzt gehst du erst einmal in die Vorschule und
lernst dort andere Kinder kennen, so vergeht die Zeit ganz schnell.«
Emira schüttelte den Kopf.
»Ich will nicht in die Vorschule.«
»Alle Kinder in Tunesien müssen in die Vorschule.«
Emira presste die
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