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Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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das Telefon achtmal geklingelt hatte, gab er auf und nahm ein Taxi zum Elise. Die Empfangsangestellten waren überfreundlich. Das Zimmer war sechsmal so groß wie im Birdline und besaß Sessel, Tische, sanfte Musik, sechs Duscheinstellungen, einen Sonnenbalkon, Meerblick, Vasen mit Schnittblumen, Fruchtschalen, und so fort. Sein gereinigter Anzug hing im Schrank, die übrige Wäsche lag gestapelt in einer Schublade. Er trat auf den Balkon. Von hier aus konnte er Charlas Sonnenterrasse nicht sehen, aber er schätzte, daß sie etwa fünfzehn Meter weiter rechts lag. Er sah nach unten. Kleine braune Menschen lagen auf bunten Matten vor den Cabanas. Sie sahen wie aufgereihte Puppen aus, die auf Kunden warteten. Er ging zurück ins Zimmer und blieb vor der größten Fruchtschale stehen. Er wählte eine Birne, und sie war so saftig, daß er sie über dem Badbecken essen mußte – ein rostfreies spiegelndes Oval in einer langen Platte aus kirschroten Fliesen. Er sah die Birne an und mußte an Charla denken. Er sah das sanft geschwungene Becken an und mußte an Charla denken.
    Er ging hinunter in das Labyrinth von Bars und Läden und Speisesälen und entdeckte einen Grillraum, in dem er ein Steak-Sandwich und Kaffee bekam. Es war nach vier. Er versuchte die Dinge logisch zu ordnen. Aber Logik war noch nie seine Stärke gewesen. Zumindest hatte sich Miß Farnham seiner Logik gegenüber sehr skeptisch verhalten.
    Betsy Alden verkörperte zu viele Möglichkeiten. Er wollte nicht an sie denken. Das führte nur zu dumpfen Kopfschmerzen. Sie konnte Neurotikerin sein und unter Halluzinationen leiden. Sie konnte die absolute Wahrheit sagen. Oder sie konnte irgendwo zwischen diesen beiden Extremen liegen.
    Ich bin nicht so bezaubernd und bemerkenswert, daß Joseph und Charla mich aus einem wirklichen Bedürfnis heraus anstellen wollen, dachte er. Sie wollen etwas von mir. Und soviel ich weiß, habe ich nicht das, was sie wollen. Aber sie glauben, daß ich es habe oder daß ich es bekommen werde. Deswegen wurden vielleicht auch alle Wohnungen und Häuser Onkel Omars durchwühlt. Wintermore sagte allerdings, daß die Einbrecher nicht einmal auf dem Inselhaus etwas hatten entdecken können.
    Ich erklärte ihnen, daß ich nichts besitze. Dennoch schieben sie mich umher. Ich war zu betrunken, um sie anzulügen, das wußten sie. Was wollen sie? Den Brief? Oder, wie Betsy vermutete, persönliche Dinge?
    Und wie soll ich mich verhalten? Betsy Bescheid sagen, wenn ich einen Anhaltspunkt gefunden habe? Schulde ich ihr etwas? Kommt darauf an, wie ehrlich sie war.
    »Liebling!« Charla ließ sich ihm gegenüber in der Nische nieder und legte ihm die Hand auf den Arm. »Wo warst du denn nur?« Sie trug ein blauweißes Baumwollkleid, das verwirrend tief ausgeschnitten war, und einen frivolen kleinen Hut. Sie starrte ihn so ernst und warm und durchdringend an, daß er sich beinahe umgedreht hätte, um zu sehen, wen sie meinte. Sie befanden sich in einer dunklen Ecke des Grillraums, und der sanfte Schimmer einer rötlichen Lampe spielte um die Holzvertäfelung. Charla sah aus wie ein Bild in Eastman-Color, wenn man zu nahe am Schirm saß.
    »Ich habe nur ein paar Gänge erledigt«, sagte er.
    Sie ließ seine Hand los und zog eine Schnute. »Ich war völlig allein. Du hast mir schrecklich gefehlt. Ich befürchtete schon, daß meine wirre kleine Nichte dich aufgehalten hat.«
    »Äh – nein.«
    »Das ist gut, Liebling. Könnte sein, daß sie ihre Verrücktheiten bei dir anbringen möchte. Ich warne dich lieber gleich, auch wenn es vielleicht unfair ist. Schließlich ist sie die einzige Tochter meiner Stiefschwester. Wir hätten schon damals erkennen müssen, wie problematisch ihr Charakter ist. Man warf sie nämlich aus einem vornehmen Schweizer Internat, als sie fünfzehn war. Aber mir kam sie so reizend und unschuldig vor. Wir haben unser Bestes für sie getan, Kirby – aber sie hat wenig Sinn für das wirkliche Leben, für die Realitäten. Vielleicht hätten wir sie in eine Anstalt stecken sollen. Aber die Familie – du weißt ja, wie es ist. Ich ließ sie herkommen, weil ich schon wieder einiges über sie erfahren mußte. Aber es hat wenig Sinn, auf sie einzureden. Sie ist und bleibt störrisch.«
    »Du überwachst sie?«
    »Diskret natürlich. Liebling, ich möchte dich nicht mit meinen Familienproblemen langweilen. Aber sie ist wirklich furchtbar – instabil. Sie handelt nach ihren Phantasien.«
    »Oh?«
    »Sie erzählt schreckliche Sachen

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