Flucht in die rote Welt
nicht viel genützt, Bonny Lee. Der Polizist ließ sich nicht täuschen.«
»Weil du zusammengezuckt bist. Wenn du ihn gefragt hättest, was eigentlich los sei, hätte er dich nicht mal angesehen. Du mußt nur schön den Kopf hochhalten, Liebling, dann schaffen wir es schon. Ich ziehe mich inzwischen an.«
*
Es war eine stille Straße mit häßlichen kleinen Stuckhäusern und Riesengärten, die noch aus der Vorkriegszeit stammten. Die Häßlichkeit wurde etwas durch die wuchernden tropischen Pflanzen gemildert, die Professor Wellerly in seinen Garten gesetzt hatte. Es war ein heißer, schläfriger Nachmittag. Ein paar Häuser weiter entfernt schnurrte ein elektrischer Rasenmäher. Vögel kreischten in den üppigen Beerensträuchern am Weg.
Ein Wäschereifahrzeug überholte sie. Bonny Lee wurde langsamer und bog in eine Einfahrt, als der Lastwagen nicht mehr zu sehen war.
Bonny Lee trug jetzt eine schwarzweißkarierte Bluse und einen gestärkten weißen Rock. »Liebling, ich warte hier. Bitte, zeig dich bald wieder, damit ich weiß, daß nichts passiert ist.«
Er nickte und stellte den Silberzeiger auf eine volle Stunde ein – für alle Fälle. Er fand es merkwürdig, daß er sich an das rote Licht schneller gewöhnen konnte als an die Stille. Es war, als würde man mit einemmal in ein schalldichtes Gewölbe gestoßen. Er zog die Schuhe aus und ging drei Häuser zurück, bis er am Garten von Professor Wellerly war. Die Jalousien waren geschlossen. Als er um die Hausecke bog, erschreckte ihn eine Amsel. Sie hing reglos in Höhe seines Gesichts. Er ging um sie herum. Und dann sah er die hintere Stoßstange eines Wagens. Er erkannte, daß Bonny Lee mit ihrer Vermutung recht behalten hatte. Der Wagen war ziemlich neu und ein billiges Modell. Wahrscheinlich handelte es sich um ein Leihauto. Auf dem Vordersitz lag eine dunkelblaue Baseballmütze.
Er umkreiste das Haus. Es war vollkommen verschlossen. Ein paarmal versuchte er, eine Tür zu öffnen, aber die bleierne Schwere aller Gegenstände in der roten Welt lähmte ihn. Und dann erinnerte er sich, was Bonny Lee über das seltsame Verhalten von bewegten Gegenständen gesagt hatte. Er holte aus einem Blumentopf einige Kiesel. Fünf plazierte er mitten in der Luft an der Hintertür, vier weitere an einem der hinteren Fenster. Er gab ihnen einen vorsichtigen Stoß. Dann ging er zurück zu Bonny Lee und schaltete die Normalzeit ein. In der Ferne hörte man ein Klirren und Krachen.
»Was in aller Welt ...«
»Ich bin gleich wieder da.« Er begab sich sofort wieder in die rote Welt. Die Hintertür hing schräg in einer Angel. Das Holz war zersplittert. Auch vom Fensterglas war nicht mehr viel zu sehen. Er betrat die Küche und entdeckte, daß die Steine bis in die Geschirrschränke eingedrungen waren. Einen Moment lang überlegte er entsetzt, was wohl geschehen wäre, wenn Wilma in der Nähe gestanden hätte. Eine neue Lektion, die verdaut werden mußte.
Sie befanden sich im Wohnzimmer. Zwei bullige junge Männer waren mitten im Kartenspiel erstarrt. Die Deckenlampe war eingeschaltet, und die beiden schwitzten. Offensichtlich war es sehr heiß im Zimmer. Der Dicke mit dem blonden Haar hatte sein Hemd ausgezogen und ein Handtuch um den Hals geschlungen. Auf seinen Armen zeigten sich die verrücktesten Tätowierungen. Der andere war kleiner und untersetzt. Sein Gesicht zeigte die dunkle Bräunung, die durch ein Leben auf See entsteht. Beide hatten lange Koteletten und ziemlich primitive Gesichtszüge.
Die beiden sahen verwirrt in Richtung Küche. Wilma Farnham stand an einer Bücherwand in der Nähe eines kleinen Kamins. Das braune Haar fiel ihr wirr über die Schultern und ließ ihr Gesicht noch kleiner erscheinen. Die Brille saß schief, die Bluse hing halb aus dem Rock, und auch sie starrte mit offenem Mund zur Küche hinüber. Der Drink in ihrer Hand war halb ausgekippt.
Er machte sich an die Arbeit. Es war nicht leicht, aber irgendwie machte es ihm Spaß. In fünfzehn subjektiven Minuten hatte er den Tätowierten und den Dunkelhaarigen gefesselt. Er hatte Verpackungsschnur gefunden und sie den beiden um die Hand- und Fußgelenke gewickelt. In den Mund hatte er ihnen Waschlappen gesteckt. Schließlich rollte er sie in Bettlaken und umwickelte sie von den Zehen bis zu den Schultern mit Wäscheleine.
Er eilte zurück zum Wagen. Bonny Lee schrak zusammen, als er ankam.
»Was soll die Verzögerung?«
»Tut mir leid. Ich muß schnell wieder zum Haus zurück,
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