Flucht in die rote Welt
nicht böse. Ich wollte es nur versuchen. Aber ich schaffte es nicht. Vielleicht hatte ich Angst vor meinen eigenen Träumen. Sie – sind nicht besonders schön.« Sie sah ihn trotzig an. »Ich hätte sie umgebracht.«
»Ich weiß.«
»Du hattest ebenso viele Gründe wie ich. Aber du hast es nicht getan. Vielleicht hast du das Recht, die Uhr zu benützen – und ich nicht.«
»Du warst so vernünftig, es nicht zu versuchen. Das ist schon viel.«
Sie stand seufzend auf und lehnte sich an ihn. Er küßte sie flüchtig.
»Kommst du hierher zurück?« fragte sie.
»Ich weiß nicht. Ich lasse dir auf alle Fälle Geld hier. Und ich werde dich anrufen.«
Als sie zu ihm aufsah, waren ihre Augen weicher als sonst. Ihr Haar roch immer noch nach Rauch. »Ich habe dir viel zu verdanken«, sagte sie. »Wenn du einmal nicht weißt, was du tun sollst, kannst du ein neurotisches, aber sehr dankbares Mädchen besuchen.«
»Betsy, du bist sehr lieb, aber im Moment solltest du dich lieber hinlegen und schlafen.«
»Schon gut.« Sie seufzte und berührte lächelnd seine Wange. »Geh, und such dein Mädchen.«
*
Zwei Straßenzüge vom Hotel entfernt erbeutete er eine Verkleidung, die ihn im nächtlichen Miami völlig unauffällig machen mußte. Er erbeutete sie von einem Mann, der nicht mehr merkte, was mit ihm geschah. Kirby zog sich um und betrachtete sich in einem Schaufenster. Ein billiger Derby-Hut, ein knallroter Plastikstock und ein riesiges rundes Abzeichen mit einer Menge Schleifen und der Aufschrift: »Eddie Beeler – Lubbock, Texas. Reserve hat Ruh'!« Er rülpste sein Spiegelbild an und nickte befriedigt.
Dann winkte er ein Taxi herbei und ließ sich zum Rio bringen.
»Du hast wohl noch nicht genug, Kumpel, was?« fragte der Fahrer.
»Die Kameraden warten auf mich.«
»Na ja, ist mir egal. Wenn ihr anschließend noch stehen könnt, bringe ich euch zu ein paar schicken Puppen.«
Der Mann fuhr los und schaltete das Radiogerät ein. »... das gleiche Schiff, das in die Affäre Kirby Winter verwickelt war. Durch das schnelle Eingreifen der Hafen-Feuerwehr wurde größerer Schaden verhindert. Brandstiftung kann nicht ausgeschlossen werden, doch die drei Mannschaftsmitglieder, die sich zur Zeit des Unglücks an Bord befanden, konnten keinerlei Auskunft geben. Bis jetzt konnte die Polizei weder Miß Betsy Alden, die Insassin der ausgebrannten Kabine, noch die Schiffsbesitzerin Mrs. O'Rourke ausfindig machen. Während das Feuer bekämpft wurde, verhaftete man den Mitbesitzer der Jacht, Mister Joseph Locordolos, in einer Cocktailbar. Er hatte sich in äußerst schamloser Weise drei Besucherinnen des Lokals genähert und war von ihnen bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten worden. Er erlitt einen Nervenzusammenbruch und konnte bisher noch nicht vernommen werden.
Ein weiterer geheimnisvoller Faktor ist die Festnahme von René Bichat und Raoul Feron, zwei Besatzungsmitgliedern der Glorianna. Ein anonymer Anrufer schickte die Polizei in das Haus von Professor Wellerly, wo die beiden Männer gefesselt aufgefunden wurden. Sie verweigerten jede Auskunft.
Allem Anschein nach hielt sich Wilma Farnham eine Zeitlang im gleichen Hause auf. Professor Wellerly befindet sich zur Zeit mit seiner Familie auf einer Europareise, und er ist mit Professor Roger Farnham, dem Bruder der gesuchten Wilma Farnham, eng befreundet. Professor Farnham bestreitet allerdings, etwas über den Verbleib seiner Schwester zu wissen.
Ungeklärt ist bisher auch die Anwesenheit eines Sportwagens, der hinter Wellerlys Haus gefunden wurde und auf die Nachtklubsängerin Bonny Lee Beaumont aus Miami versichert ist. Bis jetzt gelang es der Polizei nicht, Verbindung mit Miß Beaumont aufzunehmen.
Man nimmt allgemein an, daß zwischen den Inhabern der Glorianna und Kirby Winter doch ein engerer Zusammenhang bestand, als man anfänglich glaubte. Doch das Geheimnis um die verschwundenen Millionen Omar Krepps' verdichtet sich immer mehr.«
Die Nachrichten waren zu Ende. Der Fahrer schüttelte den Kopf. »Diese Polizei ist und bleibt dämlich. Dieser Winter wollte eben mit seinem Mädel auf der Glory Annie abhauen, mitsamt den Moneten. Aber bei dem vielen Geld versuchte sich jeder eine möglichst dicke Scheibe abzuschneiden, und da gab's am Ende Krach. Ist das so schwer zu erraten?«
»Aber wo sind sie jetzt?«
»Wer soll das wissen, Kumpel? In unserer Stadt gibt es eine Million von Zimmern für Durchreisende. Wie soll man da einen finden? Noch
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