Flucht in die rote Welt
hatte, war sie bald offen. Eine Pistole zielte auf Kirby. Und dann stand alles still.
Die Hitze war fort. Der Dampf stand wie eine feste Säule über den Decken. Kirby arbeitete sich mühsam aus dem steifgewordenen Material. Joseph stand in der Tür, umgeben von erstarrten Flammen. Er hatte eine langläufige Pistole auf Kirby gerichtet, und der Mündungsblitz war deutlich zu sehen. Kirby entdeckte die Kugel auf halbem Wege zwischen Joseph und sich.
Und er sah mit Erstaunen, daß sie sich bewegte. Es war der erste Gegenstand in der roten Welt, den er in Bewegung sah. Kopfschüttelnd betrachtete er die Kugel. Doch dann erwachte er aus seiner Trance. Er zog Betsy zu sich hoch und an Joseph vorbei in den Korridor hinaus. Charla stand mit ängstlichem Gesichtsausdruck neben der Tür.
Kirby ließ Betsy im Gang schweben, kehrte zurück in die Kabine und holte die Bleikugel aus der Luft. Er nahm sie mit in den Korridor, zielte genau auf Charlas makellose Stirn und gab dem winzigen Stückchen Blei einen Stoß. Dann ging er zu Joseph, bog seinen Arm so herum, daß die Pistole auf seine Stirn zielte, und drückte den Finger auf den Abzug. Dann zerrte er Betsy nach oben und aus dem Schiff. Draußen war die Dunkelheit hereingebrochen. Im Schein der roten Welt wirkte sie unheimlich.
Kirby stolperte vor Müdigkeit, als er Betsy über das Dock schob. Im Schatten eines Baumes stellte er sie ab. Er warf einen Blick auf die Uhr. Noch ein paar Minuten. Als er den Finger auf das Rädchen legte, wußte er, daß es ein Abzugshahn war. Sie verdienten den Tod. Und doch hatte er das Gefühl, daß er mit ihnen zugrunde gehen würde, wenn er sie tötete. Weshalb sollte er das Höchste Gericht spielen?
Plötzlich spürte er trotz seiner Müdigkeit eine wilde Freude. Bonny Lee war frei. Wilma befand sich in Sicherheit. Betsy war gerettet. Die Welt war wieder neu. Er drehte sich um und rannte, so schnell er konnte, durch das rötliche Dunkel. Er ging zurück in die Jacht. Die Bleikugel berührte die helle Stirn. Er riß sie weg und warf sie in die Flammen. Er zog den Pistolenlauf von Josephs Schläfe und trat in dem Moment zur Seite, in dem die rote Zeit um war.
Die Pistole krachte, die Flammen knisterten, und Charlas Miene verriet Besorgnis. Kirby tauchte von neuem in die rote Welt. Er sah die beiden jetzt mit den gleichen Augen an wie sein Onkel. Lächerliches Volk. Sie verdienten so etwas Dramatisches wie den Tod nicht. Im Tod lag zuviel Würde. Mit Hilfe der Uhr konnte er eine geeignetere Strafe finden. Doch im Moment war er zu erschöpft, um etwas zu unternehmen. Er suchte sich eine Kabine und streckte sich auf der Koje aus. Er stellte die Uhr eine Stunde zurück und legte sich einen schweren Aschenbecher ein paar Zentimeter über die Brust.
Er erwachte sehr erfrischt, hielt die echte Zeit von neuem an und überlegte, was er mit Charla und Joseph tun konnte. Er schleppte Charla von der Jacht und über die Docks, bis er an der Straßenkreuzung stand. Ratlos sah er sich um. Und dann hatte er eine Eingebung. Vor der Ampel stand ein großer Armee-Laster. An die dreißig Mann saßen auf den Bänken des Anhängers. Sie waren keine Rekruten, das sah man ihnen an. Ihre verwitterten, braungebrannten Gesichter verrieten, daß sie auch mit den ungewöhnlichsten Situationen fertig wurden.
Langsam und vorsichtig schälte er Charla aus ihrem Bademantel. Noch einmal warf er einen bedauernden Blick auf die glatte, helle Haut. Dann schob er sie in den Lastwagen und legte sie quer über die Knie von fünf Soldaten. Die Männer saßen gelangweilt da, ohne etwas von ihrer Last zu ahnen.
Es hatte zwanzig Minuten gedauert, bis er Charla untergebracht hatte. Nun holte er Joseph. Der Spanier war nicht nur schwerer, es bereitete Kirby auch Kopfzerbrechen, wo er ihn plazieren sollte.
Wiederum inspirierte ihn die Straßenkreuzung. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich eine Cocktailbar, und sie war gut besucht. Kirby ging durch die Räume, bis er eine größere Speisekammer entdeckte. Die Tür war nur angelehnt. Er wählte von den Besucherinnen des Lokals drei reife Damen ohne Ehering aus. Sie wirkten kräftig und zielbewußt. Nacheinander brachte er sie in die Kammer und entkleidete sie. Das gleiche machte er mit Joseph, und dann verschloß er die Tür.
Er ging zurück zu Betsy. Dann erst schaltete er die Normalzeit wieder ein.
Betsy drehte sich um und stieß einen kleinen Schrei aus. »Daran werde ich mich nie gewöhnen können. Aber – es hat
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