Flucht Ins Chaos: Ein Pip& Flinx-Roman
sicherzustellen.
Erst später fiel ihm auf, dass er verfolgt wurde.
Anders als bei jedem anderen Wesen, dem er in den letzten Tagen begegnet war, gelang es ihm, der Kreatur, die ihm unverhohlen folgte, einen Namen zu geben. Es war vermutlich nicht die korrekte Bezeichnung, aber da diese ihm nicht geläufig war, musste sie reichen. Er nannte das Wesen das Gebiss.
Das Gebiss war viel größer als die anderen Fleischfresser, die er bislang gesehen hatte, außerdem lang und schlank, mit einer Wirbelsäule, die sich wie eine knochige Blüte über seiner kompletten Länge entfaltete. Diese ausgedehnte V-Form war nicht breiter, als sein Arm lang war. Aus der sich zuspitzenden Oberfläche erhob sich eine Reihe von zehn großen Luftsäcken, die jeder einen Durchmesser von etlichen Metern hatten und das Tier in der Luft hielten. Die geschmeidige und muskuläre Gestalt des Gebisses war gute sechs Meter lang, wobei etwa ein Meter nur aus den Kiefern bestand. Diese waren ebenfalls lang und schmal geformt und besetzt mit Dutzenden, wenn nicht Hunderten, von feinen, nadelartigen Zähnen. Kiefer und Zähne schienen perfekt dafür geeignet zu sein, kleine Beutestücke mit schwingendem Schnappen direkt aus der Luft zu pflücken. Ihm war klar, dass sie ihm im Zweifelsfall ebenfalls übel zusetzen würden.
Die diversen schwarzen Kugeln, die an der Vorderkante des ausgebreiteten Rückgrats hingen, blieben auf ihn fixiert. Sie hatten keine Pupillen und bewegten sich auch nicht wie Augen. Bewegungssensoren, dachte Flinx, vielleicht auch Hitzesensoren, oder beides. Das Gebiss rückte mit gleitenden, schlangenartigen Krümmungen seines flachen Körpers vor. Trotz seiner Länge bot er von vorn betrachtet nur ein sehr kleines Profil dar. Noch eine nützliche Eigenschaft für ein großes Raubtier.
Flinx zweifelte nicht daran, das es auf ihn fixiert war. Er vergrößerte seine Schritte. Das Gebiss blähte seine Luftsäcke auf, steigerte die Bewegungen seines Körpers ein wenig und hielt mit.
Er kletterte einen ziemlich steilen Hang empor. Das Gebiss ignorierte das schwierige Terrain und glitt einfach hinter ihm her. Eine Handvoll kleiner, einstämmiger Graser, kaum größer als Flinx' Hand, bemerkte den näher rückenden Karnivoren und preschte beiseite. Sie stoben in alle Richtungen, als hätten sie auf einer gespannten Feder gesessen. Flinx umrundete einen schmalen Kamm, und das Gebiss hielt mit, indem er einfach darüber hinweg schwebte und ihn aus höherer Position weiter verfolgte. Wenn Flinx versuchte, es zu ignorieren, rückte das stille Gebiss verschlagen immer näher. Wenn er innehielt und zurückblickte, stoppte es und schwebte geduldig an einem Fleck, während es darauf wartete, dass seine immer nervöser werdende Beute zu rennen anfing, ihn angreifen oder einfach tot umfallen würde.
Was sollte er tun? In Anbetracht seiner eigenen zunehmenden Schwäche und seines Dursts begannen die Größe und die Beharrlichkeit der Kreatur an Flinx' Nerven zu zerren. Als Reaktion auf seine gesteigerte Anspannung begann auch Pip, nervöse Kreise zu ziehen. Sie war nicht motiviert, das Gebiss anzugreifen, da dieses noch keine feindselige Geste in Richtung ihres Herrn gemacht hatte. Und solange es das nicht tat, blieb der genaue Grund für Flinx' Unruhe für sie ein Rätsel.
Das Gebiss würde ihn nicht in Ruhe lassen, so viel war Flinx klar. Irgendwie musste er versuchen, sich zu verteidigen. Als er das andere Ende einer Schlucht erreicht hatte, begann er, auf dem Boden nach einer Waffe zu suchen. Es lagen zwar viele Steine herum, doch er war zu schwach, um etwas Schweres aufzuheben und zu werfen. Außerdem sah das Gebiss zu groß und zu zäh aus, um sich von einem Kugelhagel aus Kieselsteinen einschüchtern zu lassen. Flinx untersuchte seine nähere Umgebung. Weder die einfachen noch die komplexen Dinge in Sicht kamen als robuster Knüppel in Frage. Überdies überlegte er sich, dass der Versuch, eine lebende Pflanze um einen ihrer Bestandteile zu erleichtern, wiederum unangenehme Konsequenzen haben könnte. Schwache, verschwommene Erinnerungen warnten ihn davor, diese Maßnahme zu ergreifen, solange es nicht absolut notwendig war.
Als er auf das tote, verdorrte Baumding stieß, glaubte er, ein mögliches Arsenal entdeckt zu haben. Hier gab es große, stämmige Äste, die er schwingen konnte, kleinere, die sich werfen ließen, sowie eine Vielzahl seltsamer, steinharter Ausbuchtungen. Das Gebiss war ihm gefährlich nahe gekommen, da es die
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