Flucht Ins Chaos: Ein Pip& Flinx-Roman
nach einige diskrete Treffen abhalten und es herausfinden. Mit einer solchen Spezies, die den Zahnigen Angst einjagt, würde ich gern Bekanntschaft machen.«
»Falls dieses menschliche Individuum tatsächlich existiert«, merkte Bno-Cassaul sofort an, »und sich noch auf Jast aufhält.«
»Selbst wenn nicht«, erwiderte Lwo-Dvuum, wobei die Worte nur sehr langsam aus dem flachen Mund kamen, der die Vorderseite seines Oberkörpers teilte, »glaube ich, dass die Reaktion des AAnn auf die bloße Möglichkeit bedeutet, dass sie die Zeit des Kreises wert ist.«
Damit war Bno-Cassaul voll und ganz einverstanden. Als sie den nächsten Transporter bestiegen, der sie in die Gegend bringen würde, in der sie beide lebten, war der Programmierer fest entschlossen, eine Suche mit seinem Privatscanner durchzuführen, sobald er ungestört war. Anders als der Erzieher, wusste Bno-Cassaul nichts über die Menschen. Er akzeptierte ihre Existenz, weil Lwo-Dvuum es tat. Waren sie den AAnn ähnlich? Dieser Gedanke beunruhigte ihn, auch wenn sie mögliche Verbündete darstellten.
Er hoffte, dass sie sich zumindest ein wenig von ihnen unterscheiden würden. Denn Hoffnung war so ziemlich die einzige Waffe im Arsenal des Kreises der Andersdenkenden. Um die beharrlichen AAnn von Jast zu vertreiben, brauchten sie aller Wahrscheinlichkeit nach etwas bedeutend Stärkeres.
9
Ein völlig frustrierter Flinx hatte das Gefühl, in zwei Welten gleichzeitig zu existieren. Die bedeutendste, die, von der er wusste, dass er in ihr lebte, war geordnet und feierlich, bewohnt von geschäftigen Zweifüßern, die nicht wie er aussahen, mit denen er jedoch aus irgendeinem Grund nicht nur die Sprache und einige andere Gemeinsamkeiten teilte, sondern auch eine wachsende Sympathie, deren Tiefe ihn immer wieder aufs Neue überraschte. Diese Welt beinhaltete außerdem die kleine, fliegende Kreatur namens Pip, wobei der Minidrache eine der wenigen Gewissheiten war, an die er sich klammern konnte. Der Minidrache - und seine Fähigkeit, meistens zu wissen, was diejenigen in seiner Umgebung empfanden. Damit ließen sich zwar weder seine schlechten Manieren, sein seltsamer Akzent noch sein Mangel an Klauen, anständigen Zähnen oder Schwanz wettmachen, aber er konnte sich dank dieses verschleierten Talents wenigstens bei anderen einschmeicheln.
Die andere Welt, in der er lebte, war eine Welt voller Nebel und Schatten, voller Erinnerungen, die nichts waren als Geister und Gespenster. Gelegentlich erhaschte er Blicke auf diese andere Realität. Erinnerungen an eine alte Frau, die ihn in einem Moment umarmte und im nächsten verfluchte. Seltsame Gestalten, die mit ihm zu sprechen schienen, aber eher wie die kleinen Gliederfüßler aussahen, die im Sand vor dem Gebäude des Ordens herumhuschten. Weise Stimmen, die ihm in einer anderen Sprache als derjenigen seiner glattschuppigen Retter etwas einflüsterten. Wütende Laute in derselben Sprache. Eine endlose Suche nach Dingen, von denen er nichts wusste, mit Mitteln, die er nicht identifizieren konnte. Und immer diese Fragen, Unmengen an Fragen.
Von denen weder Chraluuc noch einer ihrer Brüder zu ihrem Bedauern auch nur eine einzige beantworten konnte.
Da unter den Mitgliedern des Ordens die Meinung vorherrschte, dass er sich noch von seinen Leiden erholen musste, und da sein mentaler Zustand offensichtlich instabil war, überließ man ihn größtenteils sich selbst. So wanderte er über das Gelände und untersuchte den Zweck dieses Gebäudes oder jenes Dekorationsobjekts. Es kam nur selten vor, dass man seine Fragen ignorierte oder seine Bitte, zusehen zu dürfen, ablehnte. Obwohl es ihnen nicht völlig gelang, ihr Misstrauen gegen den Menschen zu besiegen, der so unerwartet in ihrer Mitte aufgetaucht war, kamen mit der Zeit immer mehr Mitglieder des Ordens zu der Überzeugung, dass der große Weichhäuter eine andere Art von Mensch darstellte. An seiner Empathie konnte es keinen Zweifel geben. Auf gewisse Art wurde er nach und nach fast zu einem der ihren. Für die Ordensbrüder war diese langsame Metamorphose gleichzeitig befriedigend, verwirrend und stimulierend.
Flinx sah das nicht so, weil er sich dessen gar nicht bewusst war. Er versuchte einfach nur sich anzupassen. Es war das Mindeste, was er tun konnte, und auch eine Sache der Höflichkeit, um jenen zu danken, die ihm das Leben gerettet hatten. Auch wenn er von jedem, den er traf, als Mensch angesehen wurde, fühlte er sich nicht besonders menschlich.
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